Marktplatz, Nordseite
Zitzergasse 28-16
Marktplatz, Südseite
Schulhofstraße 5-15
Kreuzgasse / Ecke Wirthstraße
Hospitalgasse 4-12
Dreihäusergasse 2-7
Neutorstraße 1 ff.
Wilhelmjstraße 3-15
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Hochtaunuskreis
Usingen
  • Gesamtanlage Neustadt
Gesamtanlage

Am 23. April 1692 brach zwischen 20 und 21 Uhr im Wachenheimischen Hof (Junkernhof, Wilhelmjstraße 15) ein Brand aus, der die westliche Unterstadt und die nördliche Oberstadt nahezu vollständig einäscherte. „In solchem Brand gingen auff, in die 85 wohnheuser, scheuer und ställe (deren Vielmehr gewesen), ungezehlet“. Als noch erhalten werden genannt: die Kirche, das 1687 gerade fertiggestellte Rathaus und die an der Wilhelmjstraße folgenden Häuser Nr. 3, 5, 7, das Schulhaus Zitzergasse 1 und im Kern das durch seinen Eckerker von 1668 bemerkenswerte Wohnhaus des Amtmannes Schmidtborn, Obergasse 15. Durch diesen wurde Fürst Walrad dann auch bereits im Sommer 1692 darüber in Kenntnis gesetzt, dass man sich in Usingen einen Wiederaufbau nach Vorbild der Homburger Louisenstadt vorstelle. Das Modell dazu lieferte offensichtlich der Usinger Maler Johann Emmerich Küntzel, der damit ins holländische Feldlager des Fürsten entsandt wurde und nach seiner Rückkehr als „Baumeister über hiesiges Stadtbauwesen“ mit der Neuanlage der Residenzstadt begann. Es wird vermutet, dass der Entwurf eine weitaus größere Idealstadt beinhaltete hatte, deren Zentrum die sogenannte Hugenottenkirche gewesen wäre. Als Grenzen des Vorgesehenen werden die Zitzergasse, die über die Haingärten verlängerte Wilhelmjstraße, die Fritz-Born-Straße und das Klapperfeld (mit Erweiterungsmöglichkeit nach Norden) angegeben.

Aus Küntzels Planung jedenfalls hervorgegangen ist ein regelmäßiger Stadtgrundriss, der aus bestehenden sowie nach Möglichkeit damals begradigten und aus neu angelegten Straßenzügen gewonnen wurde. Ab 1693 wurden die Parallelzüge Obergasse und untere Zitzergasse mit Wohnhäusern bebaut und als Zufahrt der landwirtschaftlich genutzen Höfe die Scheunengasse dazwischengelegt. 1697 folgte die Vermessung und Einebnung des Baugrundes für die Neustadt. Sie war seitens des Landesherrn aus bevölkerungs- und wirtschaftspolitischen Aspekten in Planung gegeben worden und bot Raum für eine zunächst politisch, kirchlich und schulisch eigenständige, städtische Gemeinde. Die Vereinigung mit der Altstadt auf politischer Ebene erfolgte bereits 1716 – die protestantische Kirchgemeinde hingegen bewahrte bis 1817 ihre Selbstständigkeit. Die Pläne zu diesem in sich geschlossenen Stadtbereich stammten noch von Küntzel, realisiert wurde sie jedoch erst ab 1700 unter der Leitung von Benedikt Burtscher. Gleichzeitig vollzog sich das nahtlose Zusammenwachsen von Ober- und Neustadt im Geviert zwischen Zitzergasse und Wirthstraße auf den Parallelzügen Dreihäuser- und Hospitalgasse und am verlängerten Klapperfeld sowie im Norden der Zitzergasse.

Die Neustadt wurde auf Ackergrund und in einiger Distanz zum damaligen Stadtraum, mit dem sie über die Kreuzgasse (Landstraße Richtung Merzhausen) verbunden ist, angelegt. Sie besteht aus einem durch den Transitweg zweigeteilten Platz, der im Süden den dreiseitig von Wohnhäusern gerahmten Markt aufnimmt. Von dessen östlicher Seite aus besteht eine Wegverbindung (Haingasse) nach dem vom Stockheimer Bach durchzogenen Wiesengrund. Auf der nördlichen Seite hinter einem Vorplatz zentral errichtet ist die ehemalige protestantische Kirche, flankiert von zwei prominent freistehenden Bauten. Die beiden seitlich daran vorbeilaufenden Straßen (Wirthstraße bzw. Apothekergasse im Osten, Schulhofstraße im Westen) münden ins bzw. kreuzen das Klapperfeld. Nach gängiger Meinung setzte das Bauwesen nach Erlass des fürstlichen „Neustädtischen Freiheitsbriefes“ vom 6. März 1700, der die Privilegien der Neusiedler festhielt (freies Bürgerrecht und Abgabenfreiheit auf zehn Jahre, kostenlose Zuweisung von Baugrund und Bauholz, das Recht auf eine eigene Kirche und Schule etc.), ein. Als Bauherren traten jedoch nicht nur die vom Fürsten speziell angesprochenen Glaubensflüchtlinge aus Frankreich und der Pfalz auf, sondern auch Usinger Bürger aus der Altstadt und Brandgeschädigte aus der Oberstadt, die hier einen Neuanfang wagten. Abgesehen von den Baudaten der Kirche (1700-03), der Bauinschrift des Wohnhauses Marktplatz 25 (1700) und des Jahres der Inbetriebnahme der Apotheke 1703 (Wirthstraße 4), fehlen bislang weitere Hinweise zum Bauablauf rund um den Platz. Festzustellen ist zumindest, dass hier ein standardisierter Typ in Form des Traufenhauses mit Walmdach und mittlerem Zwerchhaus zum Zuge kam, wobei das Doppelhaus (mit geteiltem und aus diesem Grund meist materialdifferenziert verkleidetem Zwerchhaus, wie etwa Schulhofstraße 9/11 und Wirthstraße 6/8) die Mehrzahl bildet. Dieser Typ tritt auch andernorts in Usingen auf und wird, da das Exemplar Obergasse 14/16 auf 1693 datiert ist, deshalb mit der Küntzel’schen Stadtplanung eng in Verbindung gesetzt. Aus diesem architektonischen Rahmen herausfallen die drei Bauten der Südseite (Marktplatz 5 mit Mansarddach, Nr. 7 Walmdach ohne Zwerchhaus und mit sieben Fensterachsen aus dem gängigen Maß fallend, Nr. 9 von äußerst geringer Tiefe mit Satteldach), die scheinbar den Abschluss neustädticher Bautätigkeit bildeten. Aus schriftlichen Quellen konnte außerdem erschlossen werden, dass das Pfarrhaus der reformierten Gemeinde direkt hinter dem reformierten Friedhof (entweder Haus Klapperfeld 7 oder Wirthstraße 3) erbaut worden war. Als die Schule der Neustadt – der Unterricht wurde anfänglich zweisprachig gehalten – durch ein Vermächtnis 1768 im Haus Klapperfeld 13 erstmals einen festen Standort erhielt, wurde um die gleiche Zeit die andere Hälfte dieses Doppelhauses (heute Nr. 9/11) zur Pfarrei bestimmt. Das Erscheinungsbild der Neustadt wird trotz zahlreicher Veränderungen (Ladeneinbauten, moderne Fenster) noch nachhaltig von den Intentionen der Barockzeit geprägt. Abgesehen von Marktplatz 11/13, Schulhofstraße 13 und Neutorstraße 6/8 sind keine Ersatzbauten zu verzeichnen. An einigen Stellen nachvollziehbar ist außerdem die ursprüngliche Schirmfunktion der Scheunen, so an der Hospitalgasse für die Bauten an der Wirthstraße und (in der Gestalt des 19. Jahrhunderts) im Hintergrund von Schulhofstraße 7-15.

Im Zuge des Wiederaufbaus nach 1692 wurde die Oberstadt weit über ihre alte, von der Stadtmauer gezeichnete Westgrenze hinaus vergrößert und durch ein systematisches Straßennetz der Neustadt angenähert. Von der alten Siedlungsstruktur – sie war ebenso verwinkelt wie die Unterstadt – hat sich gerade noch ein Rest im Bereich von Porbach erhalten. Errichtet wurden durchweg Ackerbürgerhäuser mit den dazugehörenden Nebengebäuden. Verpflichtend war die traufständige Bauform (das galt auch für die in Zweitverwendung hier aufgestellten Fachwerkhäuser, die aus Gründen der Bauholzknappheit auswärts aufgekauft wurden), die im Verbund mit den Nachbarhäusern zumeist geschlossene Fassadenzüge entstehen ließ. Trotzdem war auch hier der Individualität Spielraum gegeben, so mit dem Hausvolumen und der Firsthöhe, der Wahl zwischen Sattel- und Walmdach mit oder ohne Zwerchhaus. Die verschiedentlich noch vorhandenen Mansarddächer entsprangen meist späteren, Raumkapazität gewinnenden Umbauten. Dezente städtebauliche Akzente wurden durch Wohnhäuser mit frontzentralem, dreiseitigem Erker gesetzt (Kreuzgasse 17, 22 und Porbach 3). Dem Verkehrsaufkommen des 20. Jahrhunderts zum Opfer fielen an den Hauptverkehrswegen nach und nach die zu den Eingängen führenden Werksteinstufen bzw. auch die ein-oder zweiläufigen Freitreppen mit teilweise elegant verzierten Handläufen, so dass die vorhandenen Erschließungssituationen mit nach innen verlegten Türen zumeist als nachträgliche Maßnahmen zu werten sind. Das im Urplan des Wiederaufbaus wohl vorgesehene, bauliche Ausgreifen über das Klapperfeld hinaus, das seinerseits mit den Hofreiten (Nr. 2-16) weiter erschlossen worden war, wurde im Ansatz an der oberen Zitzergasse umgesetzt. Dort entstanden im Rücken der fürstlichen Gebäude an der Obergasse und in deren künstlerischen Abglanz um 1730 und ebenfalls nach Entwurf von Friedrich Joachim Stengel straßenseitig stattliche Wohnhäuser von Hofreiten (Nr. 26, 28).


Als Gesamtanlage nach § 2 Absatz 3 Hessisches Denkmalschutzgesetz aus geschichtlichen und städtebaulichen Gründen in das Denkmalverzeichnis des Landes Hessen eingetragen.

Legende:

Kulturdenkmal nach § 2 Abs. 1 HDSchG
Kulturdenkmal (Gesamtanlage) nach § 2 Abs. 3 HDSchG
Kulturdenkmal (Grünfläche) nach §2 Abs. 1 oder § 2 Abs. 3 HDSchG
Kulturdenkmal (Wasserfläche) nach §2 Abs. 1 oder § 2 Abs. 3 HDSchG
Weitere Symbole für Kulturdenkmäler nach § 2 Abs. 1 HDSchG:
Wege-, Flur- und Friedhofskreuz, Grabstein
Jüdischer Friedhof
Kleindenkmal, Bildstock
Grenzstein
Keller bzw. unterirdisches Objekt
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