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Als Sitz des Dekans und des Landkapitels für den Rheingau war die Oestricher Kirche vermutlich dessen älteste Pfarrkirche. Sie wurde laut Schriftquellen von 1493 zwischen 975 und 1011 dem Mainzer St. Viktorstift inkorporiert. Fundamente eines älteren romanischen Langhauses wurden innerhalb des jetzigen spätgotischen 1964 und 1994/95 in Teilen festgestellt. Erhalten ist der romanische Turm aus der 1. Hälfte des 12. Jhs. Der um 1508 vollendete spätgotische Kirchenbau, 1635 ausgebrannt und teilzerstört, erhielt nach Wiederaufbau eine Flachdecken anstelle der Gewölbe. 1893/94 durch Ludwig Becker, Mainz, umfassend restauriert; u. a. mit Neueinziehung von Sterngewölben und Ergänzungen am Außenbau. Nach Brand 1963 Erneuerung des Turmhelms in alter Form.
Lage im östlichen Ortskern, innerhalb eines ehemals befestigten Kirchhofes.
Dreischiffige Hallenkirche, das Mittelschiff mit leicht eingezogener Ostapsis. Der Turm schneidet zur Hälfte in das südliche Seitenschiff ein. Außenbau mit malerischem Umriss. Die vier romanischen Turmgeschosse unterschiedlicher Höhe mit geschossweisen Ecklisenen und Bogenfriesen. Im Westen und Norden gekuppelte Klangarkaden mit eingestellten Säulchen. Achtseitiger Turmhelm spätgotischer Form mit vier Wichhäuschen. Der höhere Chor vom Langhaus durch Schildgiebel geschieden, als Westabschluss Schildwand. Über zwei Schiffen großflächiges Satteldach, südliches Seitenschiff mit Querdächern und vorderen Schildgiebeln über den Jochen. Dreifach getreppte Strebepfeiler. Am Westjoch beider Seitenschiffe Portale unter überwölbten Giebelvorhallen zwischen den Streben, die spätgotische südliche Vorhalle bez. 1508, nördliche Vorhalle 1893/94; Westportal unter giebelbekrönter Rechteckrahmung. Nach Süden achtseitiger Treppenturm. Barocker Chordachreiter.
Innenraum: dreischiffiges Hallenlanghaus von vier Jochen über annähernd quadratischem Grundriss, die Seitenschiffe fast in Mittelschiffbreite. Breiterer und höherer Chor aus zwei Jochen und 3/6-Schluss. Über kämpferlosen Achteckpfeilern die 1893/94 eingezogenen Sterngewölbe. Massive neugotische Westempore. Südlich des Chores alte Sakristei mit Kreuzgewölbe und Rosenschlussstein, Tür mit spätgotischem Beschlag; nördlich sterngewölbte Seitenkapelle (Muttergotteskapelle), im Schlussstein Vesperbild. Vom südlichen Seitenschiff wieder frei gelegter Treppenzugang zu einem gewölbten Untergeschossraum des romanischen Turms. Wände aus sorgfältig lagigem Bruchsteinmauerwerk. Aus niedrigen, dreigliedrige Wandvorlagen entwickeln sich Schildbögen und Kreuzgratgewölbe.
In der nördlichen Seitenkapelle zwei Medaillonfenster um 1500 mit Kirchenpatron St. Martin und Ortswappen.
Ausstattung: Hochaltar mit neugotischem Schrein, darin sechs Statuen: hl. Barbara, Johannes der Täufer, Gregor und Bonifatius um 1500, hl. Katharina um 1520 und neugotische Figur des hl. Benedikt. In der nördlichen Seitenkapelle Marienaltar um 1500 aus der Dorfkirche Gernewitz (Thüringen) mit Maria zwischen den hll. Barbara und Katharina, auf den Flügeln Anna Selbdritt und wahrscheinlich hl. Joachim. Annenaltar, um 1720 mit Marmoraufsatz, vollplastische Darstellung der hl. Anna, Maria lesen lehrend. Kreuzigungsgruppe im Triumphbogen, Christus und Maria 19. Jh., Johannes um 1500. Erbärmdebild, Kruzifix aus Sandstein, A. 15. Jh., Korpus mit gefalteten Händen in flacher Plastik; vor 1965 in der Kapelle an der Hallgartener Straße, dort jetzt Kopie. Heiliges Grab, 1. Hälfte 15. Jh., Sandstein. Taufstein aus schwarzem Marmor, Mitte 18. Jh. Kanzel mit den Evangelisten und Beichtstuhl neugotisch.
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