Historische Ansicht, um 1908 (Foto: Pfungstädter Brauerei)
Verwaltungsgebäude, Eberstädter Straße (Foto: LfDH, Astrid Garth 2021)
Verwaltung mit Schalander
Schalander, Mühlstraße (Foto: LfDH, Astrid Garth 2021)
Mühlstraße 14 (Foto: S. Kreß, LfDH)
Eberstädter Straße 89 (Foto: LfDH, Astrid Garth 2021)
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Darmstadt-Dieburg, Landkreis
Pfungstadt
  • Eberstädter Straße 89
  • Eberstädter Straße 95
  • Mühlstraße 10
  • Mühlstraße 12
  • Mühlstraße 14
Pfungstädter Brauerei
Flur: 7
Flurstück: 161, 162/2, 162/3, 162/4, 162/6, 163/1, 164

Verwaltungsgebäude, Schalander, Sudhaus, Maschinenhaus, Reste des Schornsteins, Gewölbekeller sowie zwei Direktorenwohnhäuser des Brauereibetriebes der Pfungstädter Brauerei, entstanden zwischen 1869 und 1908

Geschichte

Julius Hildebrandt eröffnete 1831 eine Gastwirtschaft mit eigener Hausbrauerei und -brennerei im heutigen Pfungstädter Stadtteil Hahn. Bereits zwei Jahre später erwarb er nach erfolgreicher Etablierung des Brauereibetriebes ein zur Expansion geeignetes Betriebsgelände am Rand der Kernstadt Pfungstadt, dass er großzügig zu unterkellern begann. Im Zuge der nachfolgenden erfolgreichen Unternehmensexpansion mussten die Braukeller bereits 1859 erweitert werden. Mit der zeitgleichen Aufgabe der Brennerei und dem ausschließlichen Fokus auf das Brauwesen entstanden schon 1864 weitere Lagerkeller. Ab 1867 exportierte der Hildebrandt‘sche Brauereibetrieb erstmals ins Ausland. 1868 entstand auf dem Firmengelände zur Steigerung der Produktion eine erste eigene Mälzerei sowie ein Jahr später ein Kesselhaus mit hochmoderner Dampfmaschine. Letztere ermöglichte ab 1870 die revolutionäre Kühlung der Kelleranlagen durch eine neuartige Eismaschine (ersetzt 1884 durch eine Ammoniak-Kältemaschine). Die umfassende Modernisierung des Betriebes brachte den Betreibern schließlich die Fortschrittsmedaille auf der Wiener Weltausstellung des Jahres 1873. Zur Sicherung der Wasserversorgen ließ man noch im selben Jahr eine mehrere Kilometer lange Wasserleitung zum Quellgebiet unterhalb der nahe gelegenen Burg Frankenstein installieren. Hildebrandt ließ sich wenige Jahre vor seiner Pensionierung auf dem Werksgelände einen repräsentativen Wohnsitz mit Garten errichten, den er bis zu seinem Tod 1882 bewohnte.  Sein langjähriger Mitarbeiter, Schwiegersohn und Nachfolger Justus Ulrich hatte bereits 1860 ein schlichtes Wohnhaus im Südwesten des Brauereigeländes erhalten, das nun etwa zeitgleich mit der Hildebrandt’schen Villa aufgestockt worden war, um dem potentiellen neuen Direktor auch einen adäquaten Wohnsitz zu bieten.

1886 gelang Ulrich mit der Anlage eines eigenen Gleisanschlusses die Anbindung der Brauerei an die Bahnverbindung nach Darmstadt-Eberstadt.  1896 erfolgte der Ersatz der alten Dampfmaschine durch ein deutlich größeres Exemplar der renommierten Maschinenfabrik Augsburg (ab 1908 MAN), das eigens für die Pfungstädter Brauerei konstruiert worden war. Etwa ein halbes Jahrhundert lang trieb die Maschine damit einen riesigen neuen Kältekompressor zur Kellerkühlung an sowie eine Turbine, die 110 Volt Gleichstrom erzeugte. Zusätzlich diente sie als Antrieb für die Sudwalze und garantierte die elektrische Versorgung der zahlreichen Werkstätten auf dem Gelände. Nach der 1900 durchgeführten Reorganisation des Unternehmens zur gerade neu eingeführten Rechtsform einer GmbH, erfolgte 1908 der Bau eines neuen auch architektonisch wirksamen Sudhauses, das dem Rang der Brauerei als Großherzoglich-Hessischer Hoflieferant angemessen war. In dem zeitgemäßen von neuklassizistischen und neubarocken Anklängen geprägten Gebäude konnten die Tankanlagen erstmals von oben befüllt werden. Durch die beiden Weltkriege und die damit verbundenen Handelsbeschränkungen ging der Absatzmarkt zurück.  Trotzdem hatte das Unternehmen bereits in der Zwischenkriegszeit (1934) über eine vollautomatische Flaschenreinigungs- und- Füllanlage verfügt. Die Bombenangriffe des Zweiten Weltkriegs trafen auch die Pfungstädter Brauerei.

Die Mälzerei brannte völlig aus und auch weitere Betriebsbauten wurden schwer beschädigt. Nach Kriegsende wurde die Brauerei von den Alliierten Besatzungsmächten besetzt, die den anschließenden Wiederaufbau bewilligten. Technische Einrichtungen, die zu diesem Zeitpunkt noch funktionsfähig waren, wurden allerdings größtenteils ausgebaut und abtransportiert. Mitte 1945 bekam die Brauerei die Genehmigung, die Produktion wieder aufzunehmen.  Ab 1955 konnte der Betrieb grundlegend modernisiert werden. Die Gärkeller wurden erweitert, zwei neue Alu-Bottiche installiert. Zwei neue Tiefbrunnen und eine Wasseraufbereitungsanlage ermöglichten auch eine deutliche Verbesserung der bis dahin auf Kriegsmängeln begründeten Produktqualität. Im Zuge der Modernisierungsmaßnahmen wurde das bisherige Sudwerk gegen ein modernes Vier-Geräte-Sudwerk ausgetauscht. Dabei erfolgte auch eine partielle Umgestaltung des historisierten Sudhauses. Ein großes Buntglasscheibe mit dem Spruch „Gott gebe Glück und Segen drein“ ziert seither das große Rundbogenfenster an der Südfassade des Sudhauses. Nach der Erweiterung der Lagerkapazitäten in den 1960er Jahren, entstanden um 1977 ein neues Tankhochhaus und eine Flaschenfüllanlage. Bis heute (2021) wurde die Produktion vor allem östlich des Kernbestandes sukzessive erweitert und modernisiert.

Baulichkeiten

Der als denkmalwert erkannte Bestand der Pfungstädter Brauerei fokussiert sich auf die heute noch grundlegend überkommenen Architekturen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, zu denen auch weite Teile der historischen Kelleranlagen im Westen des Brauereigeländes gehören.

Zu den zentralen Baulichkeiten zählt in diesem Zusammenhang der um 1856 in der Nordwestecke errichtete Verwaltungsbau (Eberstädter Straße 89)mit angrenzendem zweiteiligem Schalander (Mühlstraße 10). Der zur Eberstädter Straße orientierte zweigeschossige Massivbau der Verwaltung zeigt in zurückhaltender, klar gegliederter Form spätklassizistische Gestaltungselemente. Gegliedert wird die Fassade durch ein Gurtgesims und zwei flache, symmetrisch angeordnete Risalite mit Balkonen. Das flach geneigte Satteldach zeigt einen weiten Dachüberstand mit gekröpftem Traufgesims und hervorgehobener Ortgangprofilierung. Entlang der Mühlgasse schließt sich, einen L-förmigen Grundriss bildend, der eingeschossige Schalanderkomplex mit zwei rundbogig überfangenen Durchfahrten an. Die nördliche Durchfahrt im Osten von zwei um 1900 schlichten Brunnenbecken flankiert. Im Inneren zeigen sich im nördlichen Bereich eine historische Holzbalkendecke sowie Teile der hölzernen Wandgestaltung des wohl ebenfalls um die Wende zum 20. Jahrhundert eingerichteten Schankraumes. Im südlichen Teil großer Aufenthaltsraum mit gemauerten Gurtbögen.

Das südwestlich gelegene Sudhaus des Jahres 1908 bildet aufgrund seiner Kubatur und historisierten Fassadengestaltung den markantesten Bestandteil des Kerngeländes. Ursprünglich mindestens im Westen freistehend zeigt sich der viergeschossige Bau mit voluminösem Walmdach heute eingebunden in einen Riegel eingeschossiger Funktionsbauten. Trotzdem ist die freiräumliche Wirkung der streng durch vertikale Fensterachsen und Putzbänder gegliederte Bau dadurch nur unwesentlich beeinflusst. Neben einem als leicht im Putz vertieftes Würfelfries ausgebildeten Gesimsband und den ähnlich gestalteten Brüstungsfeldern der Obergeschossfenster (4. OG) bestimmen die monumentalen Rundbogenfenster an der Nord- und Südfassade im Bereich des 1. OG das Gesamtbild. Im Süden das 1956 eingebrachte Buntglas mit dem Spruch „Gott gebe Glück und Segen drein“. In den ehemaligen Lagerräumen des 2. und 3. OG finden sich teilweise noch bauzeitliche Metallsprossenfenster. Ebenfalls erhalten das seitlich angeordnete historische Treppenhaus mit schlichtem Metallgeländer.

Im Süden des Sudhauses liegt das um 1869 entstandene Kessel- oder Maschinenhaus. Der schlichte rote Klinkerbau mit Satteldach ist in zwei Kompartimente geteilt. Die Westhälfte beherbergt die um 1896 eingebrachte Dampfmaschine, deren Wert als technisches Denkmal hervorzuheben ist. Diese Halle ist mit einer selbsttragenden Tonnendecke ausgestattet und weist dekorative historische Boden- und Wandfliesen (Mäander- und Würfeldekor, möglicherweise Villeroy & Boch) auf. Im Ostteil des Maschinenhauses befinden sich weitere kleinere Maschinen und Lagerflächen, zum Teil sind hier gußeiserne Stützen und preußische Kappendecken sichtbar. Die nach Westen orientierte Hauptfassade wird durch gemauerte Sturzbögen und ornamentale Maueranker geschmückt. Im Süden ein ebenfalls zum Denkmalbestand zählender, vermutlich in den frühen 1930er Jahren errichteter Anbau, der mit seine partiell abgerundete Gebäudekanten und materialsichtigen Fenstergewänden aus Beton einen ebenso deutlichen Gestaltungsanspruch aufweist.

In unmittelbarer Nachbarschaft findet sich der mit einem kleinen Nebengebäude verknüpfte Rest des 1873 errichteten Schornsteins. Der backsteinsichtige, heute mit einem polygonalen Zeltdach abgeschlossene Unterbau trug ursprünglich einen rund 46 m hohen Schlot, der 1999 abgebrochen wurde.

Eine historische Einfriedungsmauer grenzt hier den Produktionsbereich vom repräsentativen Wohnsitz des Gründernachfolgers Julius Ulrich (Mühlstraße 14) ab. Das 1860 zunächst eingeschossig errichtete Gebäude wurde 1876 aufgestockt und ist von einem leicht vorspringenden Mittelrisalit dominiert, der sich nach oben in ein Zwerchhaus fortsetzt. Hauptgestaltungselement sind die sandsteingerahmten Fenster, die im OG von flachen, überhöhten Gesimsen bekrönt und mit hölzernen Klappläden versehen sind. Die Fenster des Mittelbaus sind zu Zwillingsfenstern zusammengefasst. Der einst parkartig gestaltete Garten mit Teich zumindest in seiner Ausdehnung als wichtiger Wirkraum des Gebäudes erhalten. Ebenso Teil des Denkmalbestandes ist die an der Mühlstraße gelegene Einfriedung.

Ganz ähnlich gestaltet zeigt sich das zur Eberstädter Straße orientierte Wohnhaus des Firmengründers Julius Hildebrandt (Eberstädter Straße 95), das etwa zeitgleich neu errichtet worden war. Der in seiner Kubatur weitgehend unveränderte Bau weist neben punktuellem Fassadendekor (stilisiertes Medaillon mit Frauenkopf über dem Zwillingsfenster im 1. OG der Ostfassade) im Inneren auch noch sein zeittypisch schmuckvolles Treppenhaus mit filigranem Metallgeländer auf.

Das weitläufige und komplexe Kellersystem unterhalb des Geländes wurde über die Jahrzehnte immer wieder sukzessive erweitert. Es stellt einen zentralen Funktionsbereich der Brauerei dar und ist damit zumindest im Rahmen der benannten baulichen Zusammenhänge erhaltenswert. Besonders wertige Keller finden sich dementsprechend unterhalb des historischen Kernbereiches. Die monumentale Gewölbekeller weisen partiell (14.8 und 14.9 gem. Kellerplan Rittmannsperger Architekten GmbH, 2020) dekorative Stützen, teilweise mit großen würfelartigen Kapitellen auf.

Die aus den benannten Bauteilen bestehende Sachgesamtheit der Pfungstädter Brauerei ist sowohl aufgrund ihrer hohen orts- und wirtschaftsgeschichtlichen Bedeutung, als auch als eindrucksvolles Beispiel zeitgenössischer Industriearchitektur um die Wende zum 20. Jahrhundert Kulturdenkmal gemäß § 2 Abs. 1 Hessisches Denkmalschutzgesetz. Ergänzt wird diese Wertigkeit durch die überkommene herausragende technische Ausstattung (Dampfmaschine Maschinenhaus) als Zeugnis des in Pfungstadt in besonderem Maß vorangetriebenen industriellen Fortschritts.


Als Kulturdenkmal nach § 2 Absatz 1 Hessisches Denkmalschutzgesetz aus geschichtlichen, künstlerischen und technischen Gründen in das Denkmalverzeichnis des Landes Hessen eingetragen.

Legende:

Kulturdenkmal nach § 2 Abs. 1 HDSchG
Kulturdenkmal (Gesamtanlage) nach § 2 Abs. 3 HDSchG
Kulturdenkmal (Grünfläche) nach §2 Abs. 1 oder § 2 Abs. 3 HDSchG
Kulturdenkmal (Wasserfläche) nach §2 Abs. 1 oder § 2 Abs. 3 HDSchG
Weitere Symbole für Kulturdenkmäler nach § 2 Abs. 1 HDSchG:
Wege-, Flur- und Friedhofskreuz, Grabstein
Jüdischer Friedhof
Kleindenkmal, Bildstock
Grenzstein
Keller bzw. unterirdisches Objekt
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