Evangelische Pfarrkirche
Waldgirmeser Straße 5
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Lahn-Dill-Kreis
Wetzlar
Naunheim
  • Waldgirmeser Straße (NH) 5
  • Waldgirmeser Straße (NH) 7
  • Waldgirmeser Straße (NH)
Evangelische Pfarrkirche
Flur: 9, 11, 16, 17
Flurstück: 303, 100, 45, 49/3, 49/4, 49/5, 53/5, 53/6, 99/2, 14/1, 177, 179, 182, 31, 32/2, 6/17, 94/4

Naunheim gehörte in mittelalterlicher Zeit zum Erzbistum Trier, Archidiakonat Dietkirchen, Kirchspiel Dorlar. 1311 verpachteten der Dechant und das Kapitel des Wetzlarer Stiftes Güter u.a. an den Episcopus in Nuwenheym, vermutlich ein kirchlicher Aufseher (WZUB II, 231). Die erste sichere Erwähnung erfolgte 1338; ein Acker neben dem Acker der Kirche zu Naunheim wurde genannt (WZUB I, 1324). Am 26.3.1446 erfolgte eine Stiftung „dem Bau der Kirche zu Naunheim" durch den Schöffen Henne Kaldenacht und andere (WZUB III, 894). 1582 wurde die Kirche evangelisch-reformiert, 1604 erfolgte die Einpfarrung zu Waldgirmes. Das Patronat der Zivilgemeinde wurde 1966 abgelöst. Die Turmchorkirche aus Bruchstein liegt am Hang zwischen Hauptstraße und Friedhof auf einem künstlich geschaffenen Plateau. Das zentrale Architekturelement der Naunheimer Kirche ist der mächtige, im Grundriss 6,68 x 5,85 m große Chorturm mit Mauerstärken um 1,16 m. Schallöffnungen fehlen, möglicherweise war der Turm ursprünglich höher. Das steile, seit 1925 je eine Gaupe in jede Himmelsrichtung tragende Walmdach des Turms besteht aus einem stehendem Stuhl mit angeblatteten Streben, im oberen Turmhelm ist das Dachwerk barockzeitlich. Der Chorraum wird durch zwei Fenster nach Süden belichtet: Einem gotischen Maßwerkfensterchen mit durchgehendem Teilungsstab und genasten Spitzbögen (vgl. Hermannstein, Chorfenster) östlich, und einem rundbogigen westlichen aus der Barockzeit, ursprünglich ein Türgewände. Das zweibahnige Ostfenster zeigt im Couronnement zusammenstoßende Fischblasen. Das Kreuzrippengewölbe im Altarraum trägt im Schussstein das Solmser Wappen, einem blauen Löwen auf gelbem Grund. Die Gewölberippen ruhen auf vier figürlichen Eckkonsolen: Im Nordosten die Sitzfigur eines jugendlichen Mannes mit auf die Knie gestützten Händen, im Südosten die Halbfigur eines Mannes mit einer Krone oder einem Hut in der Art eines Baretts, die rechte Hand an den Halsausschnitt des Gewandes gelegt. Die beiden Pendants nach Osten sind grotesk überzeichnete Köpfe mit Wappenschilden; der südwestliche Schild trägt vermutlich ein Steinmetzzeichen, der nordwestliche ist seitlich stark beschädigt und trug ursprünglich wohl das Christusmonogramm IHS. Die Deutungen der Konsolen als König David, Baumeister Eckard, einen Steinmetz und einen Sänger sind volkstümlich. Gewölbe und Konsolen lassen sich stilistisch mit einer Bauzeit nach 1446 gut in Verbindung bringen, die man für den gesamten Turm annehmen kann; für die Vermutung eines höheren Alters finden sich am Baubestand keine Anhaltspunkte. Im Chorraum haben sich bedeutende, 1960 und 1966 freigelegte Reste spätmittelalterlicher Ausmalung erhalten: An der Nordwand, dem einstigen Turmportal gegenüber, eine Christophorusfigur mit Landschaft im Hintergrund aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, an der Ostwand nördlich des Fensters eine vermutlich gleichzeitig entstandene Madonna im Rosenhag. Der Christuskopf über dem Ostfenster und die Fassung des inneren Fenstergewändes sind nur wenig jünger (um 1550). Die Blattrankenmalerei im Gewölbe entstand wohl um oder kurz nach 1500. Die Malereien waren vermutlich schon vor dem Innenanstrich der Kirche 1847 nicht mehr zu sehen. Der im Mai 1739 wegen Baufälligkeit abgetragene Vorgängerbau des heutigen Kirchenschiffes ist im Aussehen nicht bekannt; die Annahme, es sei ein Holzbau von 1446 gewesen (Kern 1984) erscheint nicht wahrscheinlich. Der heutige Gemeinderaum ist ein 1966 um die Tiefe von zwei Fensterachsen nach Westen erweiterter Saalbau, der am 12.11.1739 eingeweiht wurde. Als Baumeister werden Johann Andreas Schäfer und Hans Best(?) Wagner genannt. Der ursprüngliche Zugang erfolgte über einen kleinen Anbau von Westen. Mit der Westerweiterung wurde die kleine Doppelflügeltür des 18. Jahrhunderts in die westliche Südwand versetzt. Einfache Rundbogenfenster mit Sandsteingewänden gliedern das heute torkredierte Mauerwerk; eine Sanierung ist beabsichtigt. Das Pseudomansarddach - 1780 mit holländischem Schiefer gedeckt und 1927 erneuert - bedingt, dass im Innenraum die Holzdecke zu den Traufwänden abgeschrägt ist und eine Art Tonne ausbildet; das Gesims stammt von 1978. Das Dach birgt einen liegenden Dachstuhl (Hölzer mit liegenden Querschnitten verbaut), die Vollgespärre sind mit Hängesäulen für die Decke versehen; in der Westerweiterung wurde die Konstruktion angepasst, aber um eine Firstpfette ergänzt. Im Innenraum befindet sich eine neue, geräumige Westempore; die alte Nordempore wurde 1978 um den Teil verkürzt, in dem sich die Kirchenerweiterung mit Gemeindehaus in einem flachen Bogen zur alten Kirche öffnet. Von der mittelalterlichen Ausstattung sind zahlreiche Objekte erhalten. An wandfesten Einbauten im Chor sind eine Piscina in der Ost- und eine Sakramentsnische in der Südwand zu nennen; eine Kredenznische für eine Weihwasserkanne befindet sich in der östlichen Südwand. Der aus dem 14. Jahrhundert oder der Zeit um 1400 stammende Taufstein wurde 1966 vom Kirchhof zurück in die Kirche verbracht, zuvor jedoch leider stark überarbeitet. Die qualitätvolle Deesisgruppe mit Christus des Dreinageltyps, heute an der Südwand des Gemeinderaumes, stammt aus der Zeit um 1520; das Kreuzbrett ist modern. Sie wird ursprünglich auf einem Querbalken im Chorbogen aufgestellt gewesen sein. Die 14 geschnitzten Heiligenfiguren aus Holz waren ursprünglich wohl in einem Altarschrein in Nischen angeordnet, 1716 wird ein langer Schrank mit Flügeltüren über dem Altar als Aufstellungsort genannt. Der Zyklus umfasste Dorothea, Katharina, Margaretha, Barbara, Elisabeth, Susanna, Christophorus, Urban, Jacobus, Johannes den Täufer, Franziskus, Nikolaus, Anna und Maria. Da Naunheim in katholischer Zeit Wallfahrtsort war, besuchten noch bis zum Verbot um 1730 Katholiken die Figuren, von denen fünf den Nothelfer zugerechnet werden. Erhalten sind heute nur die fast lebensgroße Strahlenkranzmadonna mit Kind sowie die kleinere Anna Selbdritt; sie lassen auf eine Entstehung des Figurenzyklus im süddeutschen Raum um 1520 schließen. Ende des 19. Jahrhunderts sollen die Figuren auf dem Dachboden der Kirche gelegen haben, in den Jahren um 1930 von einem Kunstkenner entdeckt und die heute fehlenden angekauft worden sein; die in der Kirche erhaltenen wurden 1931 in Marburg restauriert. Die übrige Ausstattung stammt aus der Barockzeit. Die Holzkanzel mit Schalldeckel von 1614 zeigt aufwändige Intarsien; sie wurde 1965 restauriert. Die alte, acht Register auf einem Manual mit angehängtem Pedal umfassende Orgel stammte von dem Darmstädter Hoforgelbauer Köhler in Frankfurt. Das heutige kleine Orgelgehäuse im Chor aus dem dritten Viertel des 18. Jahrhundert stand ursprünglich in Spangenberg bei Melsungen und wurde 1951 aus der Kirche in Niedergirmes nach Naunheim verbracht. Das Werk von Förster & Nicolaus in Lich umfasst acht Register auf einem Manual und Pedal, der Subbass 16'' steht frei hinter dem Gehäuse. Die Grabplatten des Johann Joachim Juncker von Darmstadt, Vogt der Stadt Wetzlar, der 1647 mit 56 Jahren in Königsberg verstarb, und seiner 1635 verstorbenen Ehefrau befinden sich im ehemaligen „Pfarrstuhl" an der Chorsüdwand. Der Erwähnung Wert ist auch eine hölzerne Truhe im Chor. Vier Glocken hängen in einem eisenverstärkten Stuhl im Turm. 1856 erfolgte ein Neuguss von zwei Glocken durch die Fa. Rinker in Sinn, von denen die kleinere erhalten ist. 1950 wurden drei Gussstahlglocken des Bochumer Vereins angekauft. Unweit des Turms auf dem Kirchhof stand vermutlich noch bis um 1700 ein Beinhaus, in dem in einem Kasten auch die Dokumente der Kirche aufbewahrt wurden.


Als Kulturdenkmal nach § 2 Absatz 1 Hessisches Denkmalschutzgesetz aus geschichtlichen, künstlerischen und städtebaulichen Gründen in das Denkmalverzeichnis des Landes Hessen eingetragen.

Legende:

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