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Marburg-Biedenkopf, Landkreis
Ebsdorfergrund
Rauischholzhausen
  • Gesamtanlage
historischer Ortskern und Park

Die denkmalgeschützte Gesamtanlage von Rauischholzhausen lässt sich in zwei Bereiche untergliedern. Der eine umfasst den historischen Ort, der sich im wesentlichen als bäuerliches Dorf aus Fachwerkhäusern darstellt. Die Bebauung hat sich hier seit dem 18. Jh. wenig homogen eher in einzelnen Gruppen entlang der Straßenverläufe angesiedelt. Im Norden markiert bis zur Mitte des 19.Jhs. die Alte Schulstraße in stark bogenförmigem Verlauf den Ortseingang. Östlich der Straße schließt sich eine Bebauung aus Hakenhöfen und kleinformatigen Tagelöhnerhäusern an, deren Entstehung bis ins frühe 18. Jh. zurückreicht. Westlich breitet sich mit erheblicher Ausdehnung und Größe des Gebäudebestandes der ehemalige Gutshof der Rau von Holzhausen aus. Diese Adelsfamilie hatte das Dorf als vom Erzbischof in Mainz empfangenes Lehen seit 1330 inne. Mittelpunkt des Hofes, der sich zum Dorf hin durch stattliche Wirtschaftsgebäude abgrenzt, ist das spätmittelalterliche Herrenhaus. 1492 errichtet ist es der früheste Bau im Dorf und gehört zu den ältesten Gebäuden außerhalb der befestigten Städte in dieser Gegend.

Unterhalb der Alten Poststraße, die den Rau''schen Hof nach Südwesten begrenzt, hat sich ab dem 17. Jh. längs der parallel verlaufenden Straßen Obere und Untere Höhle ein weiteres Bebauungsgebiet angegliedert; es wird nach Osten durch den Rülfbach begrenzt. Ab dem letzten Drittel des 19. Jhs. vollzieht sich eine Ortserweiterung entlang der Roßdörfer Straße, in der das ehemals als Kindergarten genutzte Haus Nr. 8 wegen seiner expressiven Fachwerkformen besondere Erwähnung verdient.

Am östlichen Rand des alten Ortskernes im Bereich der Lerchengasse existieren noch Reste der aus dem späten 17. Jh. stammenden Bebauung, hinzuweisen ist hier auf die durch Umbauten allerdings stark veränderten Gebäude Lerchengasse 4 und 7.

Im Südosten des Dorfgrundrisses an der Verschwenkung der Potsdamer Straße reihen sich die Grundstücke von vier ehemaligen Mühlenanlagen auf: Truschmühle, Ottomühle, Stammsmühle und die Mühle im Schlosspark. Sie werden nacheinander aus dem Mühlteich nördlich der Truschmühle gespeist, der seinerseits aus einem etwas südlicher gelegenen Teich das Wasser bezieht. Dieser ist an den sich durch den Schlosspark ziehenden Mühlgraben angeschlossen, der bereits im Bereich des Erdfeldswaldes vom Rülfsbach abzweigt.

Am Zimmerplatz 1 ist ein Behang aus handgestrichenen Biberschwanzziegeln an der Giebelseite des Wirtschaftsgebäudes erhalten geblieben. Aus der Bauzeit überliefert sind die Kratzputzgefache an der Scheune Alte Poststraße 1 mit Datierung 1902 und am Wohnhaus Potsdamer Straße 20. Auch die handwerklich gut ausgeführte Schieferverkleidung Potsdamer Straße 21 verdient Erwähnung.

Der zweite Bereich der Gesamtanlage ist von dem ehemaligen Grundbesitz des Legationsrates Ferdinand von Stumm geprägt. Durch wirtschaftlichen Erfolg zu Reichtum und Einfluss gelangt kaufte dieser aus dem Saarland stammende Miteigentümer mehrerer Eisenhütten 1873 den gesamten, damals in Eigentum von zwei Brüdern Rau von Holzhausen befindlichen Besitz mit dem Ziel auf, in Rauischholzhausen einen adeligen Landsitz zu errichten. Er sollte dem Streben des damals dreißigjährigen, in der diplomatischen Laufbahn reüssierenden Stumm nach Stand und Ansehen in der großbürgerlichen Gesellschaft Ausdruck verleihen. Zusätzlich zum Rau''schen Besitz wurden Wiesenparzellen und anschließende Waldstücke erworben. Der daraus resultierende Gesamtkomplex schließt sich südlich der historischen Dorfbebauung an und erstreckt sich auf die Aue und die ansteigenden Hänge des Rülftales. Neben einem sich bis zu 100 ha ausdehnenden Landschaftspark mit umfangreicher Ausstattung umfasst das Areal ein Schloss, mehrere Gutsgebäude und außerhalb des Parkes einige Mühlenbauten. Das Schloss wurde von dem Marburger Universitätsbaumeister Carl Schäfer, einem Ungewitter-Schüler, vor 1873 geplant. Die Ausführung übernahmen 1874-78 die Frankfurter Architekten Karl Jonas Mylius und Alfred Friedrich Bluntschli, beides Schüler Gottfried Sempers. Mit der Planung und Ausführung des Schlossparks, der im Sommer 1873 seinen Baubeginn feierte, war der spätere Königliche Gartenbaudirektor Heinrich Siesmayer beauftragt, der unter anderem für den Frankfurter Palmengarten verantwortlich zeichnete. Der Schlosspark gehört zu den wertvollsten Parkanlagen in Hessen und zu den nur noch selten erhaltenen historistischen Gartenanlagen in Deutschland.

Ebenfalls im Zuge der Stumm''chen Bautätigkeit und mit deren finanzieller Unterstützung sind im Dorf ein neues Kirchengebäude mit benachbartem Friedhof (1881), eine Schule, ein Gemeindehaus, ein Alters- und Erholungsheim, ein Kindergarten und eine Molkerei errichtet worden. Auch die Ansiedlung einer Apotheke an der Wittelsberger Straße zu Beginn des 20. Jhs. ist wohl in diesen Zusammenhang einzuordnen.

Zwischen der Straße Am Park und der Brunnenstraße befindet sich östlich des Parkes eine kleinteilige geschlossene Bebauung durch vorwiegend traufständige Tagelöhnerhäuser, denen eine minimale Wirtschaftsfläche straßenseitig vorgelagert ist. Die in einfachem Fachwerk errichteten Häuser stehen durch einen schmalen Durchgang getrennt mit dem Rücken aneinander auf etwa 16 annähernd gleich großen Grundstücken. Vom benachbarten Park ist das Viertel durch eine Mauer abgeschieden, es geht in seiner Gründung im letzten Drittel des 19. Jhs. möglicherweise auf eine Initiative der Familie von Stumm zurück.

Teil der denkmalgeschützten Gesamtanlage ist auch der jüdische Friedhof, der an einem Hang des Rülftales westlich außerhalb der Parkanlage unter Bäumen angelegt ist. Ein Zugang von der Parkseite besteht nicht, die Erschließung des auch von umliegenden jüdischen Gemeinden mitgenutzten Friedhofs erfolgt über einen ganz im Westen heranführenden Weg.


Als Gesamtanlage nach § 2 Absatz 3 Hessisches Denkmalschutzgesetz aus geschichtlichen Gründen in das Denkmalverzeichnis des Landes Hessen eingetragen.

Legende:

Kulturdenkmal nach § 2 Abs. 1 HDSchG
Kulturdenkmal (Gesamtanlage) nach § 2 Abs. 3 HDSchG
Kulturdenkmal (Grünfläche) nach §2 Abs. 1 oder § 2 Abs. 3 HDSchG
Kulturdenkmal (Wasserfläche) nach §2 Abs. 1 oder § 2 Abs. 3 HDSchG
Weitere Symbole für Kulturdenkmäler nach § 2 Abs. 1 HDSchG:
Wege-, Flur- und Friedhofskreuz, Grabstein
Jüdischer Friedhof
Kleindenkmal, Bildstock
Grenzstein
Keller bzw. unterirdisches Objekt
Baum
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