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Die Sachgesamtheit Alter Friedhof (Flur 4, Flurstücke 54/1+2, 55/1, 56, 58) liegt östlich der Kernstadt auf einem kontinuierlich ansteigenden, südlich der Licher Straße gelegenen Areal. Die Sachgesamtheit umfasst das gesamte Friedhofsgelände in seiner historischen Aufteilung und gärtnerischen Gestaltung. Zum Bestand gehören also die heute z.T. parkartig gestalteten Gräberfelder, die beiden jüdischen Abteilungen, der Ehrenfriedhof für die im Krieg 1870/71 Gefallenen, die Grabmäler und Totenhäuschen, die Friedhofskapelle (Licher Straße 4) samt ihrer Innenausstattung, die Umfassungsmauern und Tore, die 1937 nach Plänen Graverts erbaute Kiosk-, Toiletten- und Umspannanlage an der Ecke zum Nahrungsberg (Licher Straße 2) sowie die zwischen Licher Straße und Friedhof verlaufende Parkanlage, die von dem Gießener Forstwissenschaftler Prof. Dr. Gustav Heyer (1826-1883) angelegt wurde.
Geschichte des Friedhofs
Als bei der Pestepidemie von 1529 innerhalb kurzer Zeit 1500 Menschen (etwa die Hälfte der Stadtbevölkerung) starben, wurden auf einem Acker in
gehörigem Abstand zum Neuweger Tor Massengräber angelegt. Im Zuge des Festungsbaues (1530-1533) durch Landgraf Philipp den Großmütigen wurden die beiden älteren Friedhöfe (Friedhof der Stadtkirche und Friedhof von Selters) aufgegeben. Man verlegte den Stadtfriedhof nun offiziell an die Nordseite des Nahrungsberges, und zwar an die Stelle, wo sich von alters her die Wege nach Grünberg und Lich gabeln.
Die erste Friedhofsanlage umschloss ein 105 x 60 m großes Rechteck. Zwei Schenkel der ursprünglichen, aus graublauen Basaltsteinen errichteten Mauer haben sich im Norden (bis zum heutigen Haupteingang) und Westen erhalten. Ein rundbogiges, heute vermauertes Portal an der Westseite (Nahrungsberg) markiert den einstigen Friedhofseingang. Es dürfte gleichzeitig mit der Kapelle, also um 1623, entstanden sein und führte unmittelbar zu der mit drei Eingängen versehenen Hauptseite der Kirche.
Im Laufe der Zeit wurde der Friedhof sowohl nach Süden als auch nach Osten mehrfach erweitert. Im Gegensatz zum älteren Teil des Friedhofes, dessen Wegenetz unregelmäßig verlief (nur noch rudimentär erhalten), verlaufen dort die Wege parallel bzw., wie im neuesten Teil (Süden) zu beobachten, im Halbrund. Als Baumaterial für die Mauereinfriedung diente nun roter Sandstein, der durch die Schleifung der Festungsmauern ab 1807 in großer Menge vorhanden war.
Die jetzige Ausdehnung hatte der Friedhof gegen Ende des 19. Jahrhunderts erreicht, seine Kapazität war nun erschöpft, der Neue Friedhof auf dem Rodtberg wurde geplant und 1903 seiner Bestimmung übergeben.
Die Friedhofskapelle
Das ursprüngliche Aussehen der 1623-1625 durch den Gießener Baumeister Johannes Ebel zum Hirsch erbauten „Kapelle auf dem Gottesacker" ist leider nicht genau überliefert. Eine um 1830 entstandene, anonyme Lithographie (E. Komp, S. 228) zeigt den Bau nur ungenau und von der Rückseite. Soviel lässt sich erkennen: Die Kapelle war damals bereits zweigeschossig und hatte ein schlichtes Satteldach. Da die Kapelle infolge missbräuchlicher Nutzung (Pulverdepot der Artillerie während der französischen Revolutionskriege) stark gelitten hatte und einzustürzen drohte, war eine grundlegende Erneuerung notwendig: Der Architekt und Kunsthistoriker Hugo von Ritgen erhielt 1840 den Auftrag. Auf ihn geht das heutige, vorwiegend historistisch geprägte, von der oberhessischen Bauweise abgeleitete Erscheinungsbild der Kapelle zurück. Das streng gegliederte, auf dem Reißbrett entworfene Fachwerkobergeschoss, das mit Krüppelwalmen versehene Satteldach und der Innenausbau (umlaufende, pfeilergestützte Empore mit Dockenbrüstung, Halbkreistonnendecke) stammen aus dieser Zeit. Trotz dieser tiefgreifenden Veränderung blieben Teile der alten Kapelle erhalten: Das massiv gemauerte, rechteckige Untergeschoss und besonders die Südseite, die durch drei symmetrisch angeordnete Portale geprägt wird. Das mittlere, rundbogige Renaissanceportal ist durch seine Größe und durch dekoratives Beschlagwerk im Bogen sowie durch flankierende Muschelnischen hervorgehoben, die beiden seitlichen Portale haben schlichte Spitzbögen. Das heutige Hauptportal an der Nordseite, das erst 1717 - wohl bedingt durch den neuen Friedhofseingang - entstand, ist ebenfalls rundbogig. Der für die Kapelle so charakteristische, romantisierende Dachreiter stammt aus dem Jahr 1862, die Glocke aus dem selben Jahr wurde laut Inschrift von Georg Otto, einem Gießener Glockengießer, gegossen. Im Zuge des Umbaus von 1936 wurde der Altar vom Osten auf die Westseite verlegt. Zu bedauern ist, dass die alten Bänke, die ältesten aus der Zeit um 1800, 1964 durch eine neue Bestuhlung ersetzt wurden. Die Kapelle auf dem Alten Friedhof, die seit 1927 von der Luthergemeinde als Gemeindekirche genutzt wird, ist einschließlich ihres bedeutenden Inventars (u.a. Großes Holzkruzifix aus der Erbauungszeit und die von Adam und Philipp Frank aus Marburg geschaffenen Grabmäler der Gelehrten Johannes Winkelmann, gest. 1626, Justus Feuerborn, gest. 1656 und Petrus Haberkorn, gest. 1676) Kulturdenkmal aus stadtgeschichtlichen, künstlerischen und kirchengeschichtlichen Gründen.
Die Gräberfelder und ihre Grabdenkmäler
Der Alte Friedhof wird nur noch in Ausnahmefällen belegt, er hat heute immer mehr die Funktion eines Parkes. Während im vorderen Teil des Friedhofes weite Flächen abgeräumt sind (nur wenige, bedeutende Grabmäler blieben an ihrem alten Ort), bietet der obere Teil ein noch geschlosseneres Bild. Die beiden jüdischen Abteilungen, die größere liberale, die kleinere orthodoxe, blieben gemäß den religionsgesetzlichen Grundlagen der Halacha, die u.a. ein ewiges Ruherecht fordert, in großer Dichte erhalten.
Einen bedeutenden Schwerpunkt bilden die älteren, sekundär aufgestellten Grabsteine des 16. bis 18. Jahrhunderts, die an den beiden erhaltenen Teilen der ältesten Friedhofsmauer, an der Außenmauer und im Innern der Kapelle (in den Boden eingelassene Grabplatten, meist überdeckt) aufgestellt sind. Zwei der ehemals drei Totenhäuschen gehören ebenfalls in diesen Zusammenhang.
Die heute vereinzelt stehenden, klassizistischen Grabsteine bilden eine zweite Gruppe. Die künstlerisch bedeutendsten unter ihnen sind von der Hand des seit 1817 in Darmstadt ansässigen Hofbildhauers Joh. Baptist Scholl des Älteren.
Die Grabmäler des Historismus und der Folgezeit, die sich in der Regel noch in situ befinden, sind die zahlenmäßig stärkste Gruppe. Werke von Joh. Baptist Scholl dem Jüngeren, Friedrich Küsthardt dem Älteren und von Fritz Schaper aus Berlin bilden hier die Glanzpunkte.
Zu den jüdischen Abteilungen schreibt Carl Bischof, der sich intensiv um die Bestandsaufnahme der jüdischen Friedhöfe in Hessen kümmert: „Auf dem Alten Friedhof am Nahrungsberg befindet sich ein aus zwei räumlich getrennten Gräberfeldern bestehender Jüdischer Friedhof, der mit einem separaten Eingang (Licher Straße) ausgestattet ist. Er wurde 1826 eröffnet, vordem wurden die Juden aus Gießen in Großen Linden beigesetzt. Der Eigentümer des Jüdischen Friedhofes ist die Jüdische Gemeinde zu Gießen. Eine Chewra Kaddischa (Heilige Bruderschaft, Beerdigungsbruderschaft) besteht seit 1867. Im Jahre 1908 wurde der Friedhof geschlossen, nur vereinzelt fanden noch Beisetzungen in Familiengräbern statt. Im unteren Gräberfeld, nordseitig durch die Friedhofsmauer zur Licher Straße, an den anderen Seiten durch Hecken und Böschung eingefriedet, befinden sich noch 223, meist aufrecht stehende Grabsteine. Auffällig ist, dass die schlichten, kaum verzierten Steine in dichten Reihen stehen. An bemerkenswerten Gräbern seien genannt: Das Grab des Rabbiners Dr. Benedict Samuel Levi (1806-1899) und seiner Ehefrau, das Familiengrab Seiner Exzellenz Abraham Sack (1826-1893), die Grabstelle des Stadtverordneten Meyer Homberger (1820-1898) und seiner Ehefrau sowie das Grabmal des Zigarrenfabrikanten Siegmund Bock (1827-1884) und seiner Ehefrau Ottilie. Im oberen, kleineren Gräberfeld, das im Norden durch einen Weg und zum christlichen Gräberfeld durch eine Hecke abgegrenzt wird, finden sich noch 32 Grabsteine, davon sind 9 Kindergräber. Beisetzungen fanden hier zwischen 1890 und 1926 statt."
Bewertung
Der Alte Friedhof ist als bedeutendes Zeugnis deutscher Sepulkralkultur Kulturdenkmal im Sinne einer Sachgesamtheit. Mit seinem reichen und einzigartigen, durch Umwelteinflüsse leider stark gefährdeten Bestand an historischen Grabdenkmälern dokumentiert er auf anschauliche und eindringliche Weise die Gießener Stadt-, Universitäts- und Familiengeschichte vom 16. bis ins frühe 20. Jahrhundert und bietet darüber hinaus einen guten Überblick über die Entwicklung der Grabmalskunst.
Als Kulturdenkmal nach § 2 Absatz 1 Hessisches Denkmalschutzgesetz aus geschichtlichen, künstlerischen und städtebaulichen Gründen in das Denkmalverzeichnis des Landes Hessen eingetragen.
Kulturdenkmal nach § 2 Abs. 1 HDSchG | |
Kulturdenkmal (Gesamtanlage) nach § 2 Abs. 3 HDSchG | |
Kulturdenkmal (Grünfläche) nach §2 Abs. 1 oder § 2 Abs. 3 HDSchG | |
Kulturdenkmal (Wasserfläche) nach §2 Abs. 1 oder § 2 Abs. 3 HDSchG |
Wege-, Flur- und Friedhofskreuz, Grabstein | |
Jüdischer Friedhof | |
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