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Lage und Ausdehnung:
Der Schiffenberg, ein 280 m hoher Basaltausläufer des Vogelsberges, erhebt sich 4 km südöstlich der Stadt inmitten eines ausgedehnten Waldgebietes. Die Sachgesamtheit Schiffenberg umfasst das Areal des ehemaligen Klosters, den parallel zur Klostermauer verlaufenden Teil der Zufahrt und das Gelände des sogenannten Torgartens.
Vor- und Frühgeschichte:
Aufgrund von 1973 durchgeführten Grabungen, bei denen Keramikreste der jüngeren Urnenfelder-Kultur (ca. 1000 v. Chr.) gefunden wurden, ist es wahrscheinlich, dass sich auf dem Schiffenberg eine spätbronzezeitliche Höhensiedlung befand. Das Alter der ebenfalls durch Grabung nachgewiesenen Befestigungsanlagen (vier hintereinander gestaffelte Wehrgräben) an der Nordostseite des Schiffenberges ist bisher nicht genau bestimmt. Wahrscheinlich handelt es sich um Reste der durch den Namen Skephenburc = Schöffenburg = Schiffenberg belegten Burg, die um 780 nach der karolingischen Rechtsreform (Schaffung des Schöffenamtes) entstand und als Etappenhof die vorbeiführenden Straßen sichern sollte. Auch die im Bereich des Torgartens (Eselsgartens) ergrabenen Grundmauern eines rechteckigen Gebäudes, die angrenzenden Reste einer Umfassungsmauer und eine als Eisenschmelze gedeutete Fundstelle gehören wohl in die vorklösterliche Zeit.
Geschichte:
Die Geschichte des Klosters Schiffenberg beginnt im frühen 12. Jahrhundert: Die Gleiberger Gräfin Clemetia, Witwe Konrads I. von Luxemburg, hatte - wahrscheinlich anlässlich ihrer 2. Heirat mit Graf Gerhard I. von Geldern (zwischen 1103 und 1105) - den Berg bzw. die Burg Schiffenberg dem Erzbistum Trier gestiftet und verfügt, dass dort ein Kloster erbaut werden solle. 1129 weihte der Trierer Erzbischof Meginer die noch unvollendete Kirche. Das Kloster wurde mit Augustiner Chorherren aus Springiersbach besetzt, die nach der mönchischen Ordnung (ordo monasterii) lebten. Das 1239 erstmals erwähnte Chorfrauenstift Cella am Südhang des Schiffenberges (heute Wüstung) bildete zunächst eine Gemeinschaft mit dem Chorherrenstift. Da die Chorherren ihren Verpflichtungen gegenüber dem Nonnenkloster nicht genügend nachkamen, klagten die Chorfrauen 1264 vor dem Gießener Schöffengericht. Die Vollstreckung des Urteils (Aufteilung der Klostergüter zu gleichen Teilen) wurde über Jahre verschleppt. Infolge dieser lang anhaltenden Querelen, wegen anhaltender Misswirtschaft, aber wohl auch aus politischen Gründen bestimmte Erzbischof Balduin von Trier 1323 die Aufhebung des Klosters. Es wurde dem Deutschen Orden, der bei der Belagerung von Akkon im 3. Kreuzzug als Ritterorden gegründet worden war, einverleibt. Der Schiffenberg, der zur Ballei Hessen (Marburg) gehörte, erhielt 1333 einen eigenen Komtur. Trotz dieses Neuanfangs beschränkte sich die Geschichte des Schiffenbergs in der Folgezeit auf das Austragen von Streitigkeiten und die Verwaltung der Güter. Ein Versuch Philipps des Großmütigen, den Schiffenberg im Zuge der Reformation zu säkularisieren (1543), scheiterte. Erst 1809 hob Napoleon den Deutschen Orden auf, der Schiffenberg wurde nun großherzoglich hessische Domäne. Ab 1837 an die Familie Lynkker verpachtet, wurde der Schiffenberg von nun an zum beliebtesten Ausflugsziel der Gießener Bürger und Studenten. Größere Baumaßnahmen erfolgten 1885/86, dabei wurde die Kirche von entstellenden An- und Einbauten befreit, außerdem entstanden neue Wirtschaftsgebäude, die 1972/73 niedergelegt wurden. Nachdem der Schiffenberg bereits 1939 der Gemarkung Gießen einverleibt worden war, ging er 1972 in den Besitz der Stadt über und wurde zum Naherholungsgebiet ausgebaut.
Die Bauten und ihre Bedeutung:
Wichtigster und ältester Bau der Sachgesamtheit ist die dreischiffige, doppelchörige Pfeilerbasilika. Der romanische Bau ist mit einem Querschiff, quadratischer Vierung und einem achtseitigen Vierungsturm ausgestattet. Der östliche Kern der Anlage wurde ab dem 1. Viertel des 12. Jahrhunderts in mindestens zwei Bauabschnitten errichtet.
Zu einem deutlich jüngeren 3. Bauabschnitt (wahrscheinlich 2. Hälfte 12. Jahrhundert) gehört die gewölbte, halbrunde, mit Lisenengliederung versehene Westapsis und die beiden flankierenden Rundtürme, die wohl niemals ganz ausgeführt waren. Als Baumaterial diente in erster Linie Basaltbruchstein, aber auch gelblicher Sandstein (Pfeiler) und Lungstein (Scheidarkaden, Westchor). Der innen wie außen gleichermaßen schmucklose Bau wirkt vor allem durch seine strenge Formauffassung und sichere Tektonik. Das schlank proportionierte Mittelschiff wird durch Rundbogenfenster im Obergaden beleuchtet. Über den Scheidarkaden verläuft ein Gesims, das das Sichtmauerwerk der Arkadenzone deutlich von der verputzten Hochschiffwand absetzt. Der markante Vierungsturm tritt mit quadratischern Grundriss aus den Dächern heraus. Er wird durch Schrägen in das Achteck überführt. Sein einziger Schmuck sind die gekoppelten, rundbogigen Schallarkaden, die mit schlanken Säulen (Würfelkapitell, Kämpfer) versehen sind. Sowohl das Querschiff als auch der quadratische Ostchor wurden in spätgotischer Zeit verändert. Wie Grabungen ergeben haben, bildeten ursprünglich eine Hauptapsis und zwei Nebenapsiden den östlichen Abschluss. Die gotischen Spitzbogenfenster an den Stirnwänden und auch die Verbindungsgänge, die den Chor mit den Querschiffarmen verbinden, gehen auf diese Veränderung zurück. Wie das Langhaus waren Vierung, Querhaus und Ostchor ursprünglich flach gedeckt. Die Vierung erhielt 1516 ein Sterngewölbe, das auf Konsolen aufsitzt. Zwei der Konsolen sind mit Köpfen, eine mit profilierter und eine mit gewundener Pyramide versehen. Der Schlussstein trägt ein Wappen (Eselskopf = Komtur Johann Riedesel von Bellersheim) und die Datierung 1516 in Spiegelschrift. Chor und Querhausarme erhielten 1690 bzw. 1737 hölzerne Kreuzgewölbe. Auch hier sind zwei der Steinkonsolen mit Köpfen geschmückt. Erwähnenswerte Details sind die heute vermauerte Pforte in der Westmauer des nördlichen Querarmes und ein sog. Schreckkopf an der Stirnseite des Ostchores. Der Kirchenbau litt schon früh unter einschneidenden Eingriffen: So trennte man bald nach der Reformation Chor und Querschiff vom Langhaus durch eine Mauer. Während der östliche Teil weiterhin als Kirche diente, wurde der Rest der Kirche zweckentfremdet. Außerdem brach man schon vor 1751 wichtige Teile der Kirchenanlage, das südliche Seitenschiff und den angrenzenden Kreuzgang, ab. Auf diese Weise haben sich nur wenige Reste der Innenausstattung erhalten: Ein gemauerter Altar mit kleiner Reliquiennische, eine vergitterte, rundbogige Sakramentsnische in der linken Wand des Ostchores, ein aus Basalt gefertigter, mit Spitzbogenfries geschmückter Taufstein aus frühgotischer Zeit, einige Grabsteine des 14.- 17. Jahrhunderts und Wappentafeln von Deutschordenskomturen des 18. Jahrhunderts. Die heute im nördlichen Querarm stehende hölzerne Empore wurde laut Inschrift im Auftrag des Komturs Otmar von Galen 1595 angefertigt. Sie stand ursprünglich dem Chor gegenüber, der zusammen mit dem Querhaus seit der Reformation die eigentliche Kirche bildete.
Die ehemalige Komturei des Deutschen Ordens wurde laut einer quadratischen Wappentafel an der Hofseite 1493 durch Komtur Ludwig von Nordeck zur Rabenau begonnen, 1494-1503 unter Johann Schenck zu Schweinsberg vollendet. Der dreigeschossige, mit einem steilen, seitlich abgewalmten Schieferdach versehene Rechteckbau ist bis zum 2. Geschoss ganz massiv gemauert. Während das Fachwerk im Obergeschoss, das sich auf die Frontseite beschränkt, neuerer Zeit entstammt, ist das Fachwerk des Dachgeschosses am Ostgiebel noch aus der Erbauungszeit. Hier war ursprünglich ein Erker angebracht, dessen Turmbekrönung das Haus weit überragte. Die beiden nach Süden zum Tal hin orientierten, mit eigener Verdachung ausgestatteten Vorbauten dürften laut einer Inschrift 1584 errichtet worden sein. Auch die Hauptansichtsseite wurde stark verändert, wie Spuren älterer Fenster und Reste einer Spitzbogentür bezeugen. Die Lungsteingewände der hochrechteckigen Fenster wurden erst 1904 anstelle von Holzgewänden eingesetzt. Das nach 1700 entstandene Barockportal hat ein architraviertes Steingewände, über dem ein gesprengter Dreiecksgiebel mit vier eiförmigen Wappentafeln angebracht ist. Sie zeigen unter dem Fürstenhut die Embleme des Pfalzgrafen Franz Ludwig Anton von Neuburg (1684-94), den Wappenschild von Damian Hugo Philipp Anton Graf von Schönborn, Landkomtur der Ballei Hessen (1707-15) und den Schild mit dem Deutschordenskreuz. Von der ursprünglichen Innenausstattung ist nach dem 1973 erfolgten Umbau nur die gegen 1600 entstandene geometrisch unterteilte Stuckdecke erhalten geblieben.
Der sich an die Komturei anschließende „Neue Bau", ein zweigeschossiges, mit massivem Erdgeschoss, Fachwerkobergeschoss und verschiefertem Satteldach ausgestattetes Gebäude, dürfte kurz nach 1700 im Zuge der Umgestaltung der Komturei entstanden sein. Ein Beleg hierfür ist, dass die Portale beider Häuser, bis hin zu den Wappentafeln, völlig gleich gestaltet sind. Als Erweiterung ist der „Neue Bau" in stumpfem Winkel direkt an die Komturei angebaut. In seinem Obergeschoss befanden sich laut einem Inventar von 1761 der Esssaal und eine getäfelte Gaststube mit zwei Kammern. Da er ursprünglich keine eigene Treppe besaß, konnte das Obergeschoss nur vom Komturhaus her erreicht werden.
Verbindungsgebäude zwischen „Neuem Bau" und Propstei. Das 1885/86 errichtete, kleine Gebäude ist ein Beispiel für geglückte historisierende Architektur der Gründerzeit. Mit seiner Erdgeschosslaube, den maßstäblichen Fenstern und dem pittoresken Fachwerk, das die viertelkreisförmigen Fußstreben der Propstei wieder aufnahm (heute leider vereinfacht) fügte es sich geschickt und unaufdringlich in das Hofensemble des Schiffenbergs ein.
Der lang gestreckte Rechteckbau der alten Propstei wurde wahrscheinlich 1463 errichtet, seine ältesten Teile könnten aber noch aus der Gründungszeit des Klosters stammen. Der mit einem hohen Schieferdach ausgestattete Bau hat drei Geschosse, die beiden unteren massiv, das oberste in Fachwerk zwischen massive Giebelmauern eingestellt. Ursprünglich war im 1. Stock die Wohnung des Propstes, während im 2. Stock die Kammern der Bediensteten lagen. Schon 1761 diente der Bau als Fruchtspeicher. Der Umbau dürfte zwischen 1751 und 1754 vorgenommen worden sein. Dabei wurden von ursprünglich vier, symmetrisch aufeinander bezogenen, Turmerkern (zwei auf der Hofseite, zwei nach außen) drei ganz beseitigt, einer auf seinen gemauerten, dreiseitigen Unterbau reduziert. Aus diesem Eingriff erklärt sich auch, dass der früher durchlaufende Fries von viertelkreisförmigen Fußstreben heute unterbrochen ist. Während die spitzbogige Eingangstür noch aus der Erbauungsphase stammt, wurden die gekuppelten Fenster des 1. Obergeschosses erst 1899-1900 hergestellt.
Der eingeschossige Pferdestall, der sich im Norden direkt an die alte Propstei anschließt, ist ein lang gestreckter, mit einem Satteldach (Biberschwanzdeckung) ausgestattete Bau. Er ist im Westen an die Umfassungsmauer angebaut und hat zum Hof zwei Eingänge. Der in der Mitte gelegene Haupteingang ist mit einem halbrunden Feld überfangen, in dem bis 1973 das Wappen von Komtur v. Dönhoff und die Jahreszahl 1716 angebracht waren.
Das im rechten Winkel zum Pferdestall anschließende Brauhaus steht unmittelbar neben dem 1715 erbauten Eselstor. Das Gebäude, das den nordwestlichen Abschluss des Hofes bildet, bestand schon vor 1761. Ebenfalls eingeschossig, aber etwas höher als der Pferdestall, ruht sein biberschwanzgedecktes Satteldach im Norden direkt auf der Umfassungsmauer. Im Osten und Westen ist das Fachwerk der Giebel sichtbar.
Einer der markantesten Bestandteile des Hofes ist der in annähernd gleichem Abstand zur Komturei und Propstei gelegene, etwas erhöht stehende, barocke Ziehbrunnen aus rotem Sandstein. Laut Inschrift wurde er 1715 in der heutigen Form erbaut. Hauptcharakteristika sind das ungleichseitig achteckige Brunnenbecken, dessen vier Schmalseiten nach innen geschweift sind und die auf Postamenten frei stehenden, toskanischen Säulen mit Kugelaufsätzen, an denen die eisernen Stangen mit der Winde angebracht sind. Sowohl an den Säulenpostamenten als auch an zwei der längeren Brüstungsfelder sind Kartuschenfelder mit dem Wappen des Kornturs v. Dönhoff (Eberkopf, aus dem Helm wachsender Eber) angebracht.
Die jeweils auf einem Rollband darunter angebrachten Inschriften lauten: EUG V. DO NHOFF T.O.R. C.Z.S. Sr koengl. Mayest in Preussen wohlbestalter GENERAL LIEUTENANT über DERO Infanteri Ao: 1715.
Die Ringmauer des ehemaligen Klosters ist bis auf ein 1885 niedergelegtes Teilstück im Südosten (1972/73 wiederhergestellt) vollständig erhalten. Das genaue Alter der wehrhaften Mauer ist nicht bekannt, doch dürften einige Teile noch aus der Erbauungszeit des Klosters stammen oder sogar auf eine frühere Befestigung zurückgehen. Einer der ältesten Teile ist wohl der parallel zur 1829 aufgeschütteten Aussichtsterrasse verlaufende, südliche Abschnitt. Hier hat sich östlich der Komturei eine kleine romanische Pforte (Rundbogen, Kämpfer mit Karnies) erhalten.
Im Bereich des Schaftors (1837 zugemauert, heute wieder geöffnet), das 1630 von Komtur von Habel (16281640) errichtet wurde, waren entlang der Mauer umfangreiche Wirtschaftsgebäude entstanden, die im Laufe des 19. Jahrhunderts abgerissen wurden.
Anstelle eines älteren Tores errichtete man 1715 das sog. Eselstor. Das rundbogige, gefaste Tor trug früher innen und außen das Wappen des Grafen von Dörthoff. Ein heute noch vorhandenes Wappenschild des Deutschmeisters Pfalzgraf Franz Ludwig von Neuburg wurde erst nach 1729 nachträglich eingefügt.
Bewertung:
Das ehemalige Augustiner-Chorherrenstift Schiffenberg ist als Klosteranlage des 12. Jahrhunderts und spätere Deutschordenskommende von höchster Bedeutung für die regionale Geschichte. Die romanische Basilika ist darüber hinaus als Kunstwerk und aus ordensgeschichtlichen Gründen (einzige, kaum veränderte Kirche des Springiersbacher Generalkonvents) von überregionaler Bedeutung. Hinzu kommt der hohe Erinnerungswert für die Gießener Bevölkerung, da sich der Schiffenberg seit dem 19. Jahrhundert als familiäres Ausflugsziel und Ort studentischen Lebens größter Beliebtheit erfreut. Sämtliche Teile des historisch gewachsenen, mehrfach veränderten Komplexes (Gebäude, Umfassungsmauern, Hof, Friedhof der Familie Lyncker, Aussichtsterrasse, Treppenanlage, der alte Baumbestand und die als Bodendenkmäler einzustufenden Reste einer älteren Besiedelung) sind Kulturdenkmal im Sinne einer Sachgesamtheit.
Als Kulturdenkmal nach § 2 Absatz 1 Hessisches Denkmalschutzgesetz aus geschichtlichen, künstlerischen, städtebaulichen und wissenschaftlichen Gründen in das Denkmalverzeichnis des Landes Hessen eingetragen.
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