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Odenwaldkreis
Oberzent
Falken-Gesäss
  • Obere Ortsstraße 8
Falkenhof
Flur: 3
Flurstück: 116/1

Dreiseithof in markanter Lage, erbaut 1917/18 im Auftrag der Lederfabrikanten Doerr und Reinhart aus Worms

Geschichte

Um 1916 erwarben die Lederfabrikanten Doerr und Reinhart aus Worms in Falken-Gesäß im Odenwald (damals beides im Großherzogtum Hessen gelegen) umfangreiche landwirtschaftliche Besitzungen sowie eine kleinere, nicht gut bewirtschaftete Hofanlage. 1917/18 erfolgte der planmäßige Neubau einer großen Hofanlage, nachdem eigens eine neue Brücke über den Finkenbach und eine neue Zufahrtsstraße angelegt worden waren. Das Programm der Anlage umfasste einen Kuhstall für 20 Stück Milchvieh, einen Zuchtviehstall für 15 Stück Rindvieh, einen Schweinestall für 30 Zuchtschweine, einen Gänse- und Entenstall für 200 Stück Geflügel und Gebäude zur Unterbringung der geernteten Feldfrüchte. Für dieses umfangreiche Bauvorhaben mitten im Ersten Weltkrieg verlangte das Großherzogliche Ministerium des Inneren Ausnahmegenehmigungen: Vor dem Hintergrund der Freistellung von Arbeitern für die Kriegsindustrie musste ein besonderes öffentliches Interesse für den Bau begründet werden. Dieses wurde mit der dringenden Notwendigkeit der Viehhaltung zur Fleisch- und Milchversorgung der Bevölkerung nachgewiesen. Zudem musste der Verbrauch der kriegswichtigen Materialien Eisen und Stahl möglichst gering gehalten werden. Die Motivation der Doerr & Reinhart GmbH für den Bau dieses landwirtschaftlichen Musterguts mitten im Krieg ist unklar. Jedoch war die Firma für ihre betrieblichen Versorgungseinrichtungen bekannt, vielleicht sollte der Betrieb also zur Lebensmittelversorgung der Mitarbeiter beitragen.

1925 wurde die Hofanlage mitsamt den zugehörigen etwa 200 Morgen Acker- und Waldland von der Palästinazentrale des Agudat Isroel erworben. Der Agudat Isroel (Bund Israels) war eine Weltorganisation aller toratreuen Juden zur Pflege und Vertretung ihrer religiösen Interessen. Deren 1921 gegründete Palästinazentrale sollte den Aufbau von Erez Israel, einem eigenen Staat Israel, vorbereiten. Der Falkenhof, nun Hirschhof genannt, wurde Lehrgut für junge jüdische Männer, die im landwirtschaftlichen Beruf ausgebildet und auf die spätere Übersiedlung nach Erez Israel vorbereitet werden sollten. Im Frühjahr 1926 wurde der Betrieb mit elf Lehrlingen aufgenommen.

Im Jahr 1935 erwarb der Chemiker und NS-Wehrwirtschaftsführer bei der IG Farben Industrie Prof. Dr. Carl Krauch die Hofanlage.

Beschreibung

Der Dreiseithof liegt markant über dem Finkenbachtal und öffnet sich nach Südosten zum Tal, sodass der Giebel des Südflügels und die abgewalmte Schmalseite des Nordflügels die Ansicht prägen.

Südflügel:

Wohngebäude mit massivem Erdgeschoss aus rotem Sandstein, das Obergeschoss aus Fachwerk mit Verkleidung aus Holzschindeln. Die Schleppgaube über dem Eingangsbereich bereits bauzeitlich geplant, jedoch später, vermutlich um 1939, vergrößert. Der Wohntrakt enthielt ursprünglich Spülküche, Milchkammer und Haferraum im Erdgeschoss und sieben etwa gleich große Zimmer im Ober- und Dachgeschoss. 1939 wurden unter Carl Krauch die Wohnräume um eine „Bauernstube“ im westlich angrenzenden Scheunengebäude erweitert. Originaler Fensterbestand, Treppe und Türen im Inneren sowie Einrichtungen zur Kühlung teilweise erhalten. Westlich anschließend langgezogene Stallscheune mit massiv gemauertem Pferdestall, Sattelkammer mit Lager- und Nebenräumen sowie Schweinestall im Erdgeschoss. Im Pferdestall Unterteilung durch gusseiserne Stützen. In den benachbarten Schweineställen hingegen Betonstützen, die eine Deckenkonstruktion aus Eisenbeton-Hohlsteindecken (bauzeitlich, vermutlich eine Forderung zur Materialersparnis) tragen. Im Obergeschoss Scheunenbereich mit Außenwänden aus einfachem Nadelholzfachwerk und einer Holzbinderkonstruktion, die einen weitgehend offenen und stützenfreien Raum gewährleistet. Der Scheunenbereich ist durch das ansteigende Gelände von Westen aus ebenerdig befahrbar. Hofseitig ein tiefes Schleppdach.

Westflügel:

Der Hof wird nach Westen von einem großvolumigen Stallscheunengebäude abgeschlossen. Im massiven Erdgeschoss befinden sich die Kälber- bzw. Kuhställe sowie zugehörige Nebenräume, im Fachwerkobergeschoss und Dachraum Heu- und Getreidelager. Auch hier hofseitiges Schleppdach, wobei die Dachhaut modern erneuert ist. Gebäude durch nachträgliche Einbauten, etwa von Kraftfuttersilos, sowie durch einen rückwärtig angebauten, mittlerweile eingebrochenen Stallanbau in Teilen verändert, in wesentlichen Strukturen aber erhalten.

Nordflügel:

Der nördliche Flügel ist ebenfalls zweigeteilt in einen Wohnbereich im Osten und einen anschließenden Wirtschaftsbereich im Westen. Im stirnseitigen Wohnteil möglicherweise einst Wohnung des Verwalters oder Leiters des Lehrguts. Um 1960 Erweiterung des Wohnteils um weitere Wohnung im Obergeschoss. Aufgrund des abfallenden Geländes liegt der massive Keller dieses Gebäudetraktes nordseitig vollständig oberirdisch und hat zum Hang hin eine festungsartige Wirkung. Erdgeschoss ebenfalls aus Sandsteinmauerwerk, Obergeschoss aus Fachwerk, im Osten verschindelt. An den Wohnbereich schließt sich der Wirtschaftsteil an. Das Kellergeschoss wurde zur Kükenaufzucht genutzt, im Erdgeschoss finden sich von Osten nach Westen eine Remise, Wirtschaftsräume und der Treppenaufgang ins Obergeschoss sowie anschließend die Geflügelställe. Dieser Bereich ist ein zusammenhängender offener Raum mit Längsunterzügen und regelmäßig angeordneten Stützen aus Beton. Das Obergeschoss mit einer offenen Binderkonstruktion diente als Lager für Getreide und Heu. Hier wurden nachträglich einzelne Kammern für Bedienstete des Hofguts eingebaut. Auch der Nordflügel schließt mit einem tiefen Schleppdach zum Hof hin ab.

An den Nordflügel schließt sich nach Westen ein eingeschossiger Schuppen mit massiven Außenwänden an.

Begründung

Die Hofanlage wurde, insbesondere im Bereich der östlichen Wohntrakte, im Heimatstil mit regionaler Ausprägung errichtet. Baukonstruktiv finden sich teilweise Eisen- und Betonstützen, teilweise Holz- und Kappendecken sowie frühe Massivdecken in Hohlsteinbauweise. Abgesehen von den beschriebenen, Veränderungen ist die Hofanlage in ihrem bauzeitlichen Zustand bzw. im Zustand der 1920er-Jahre erhalten. Ihr kommt daher aufgrund ihres Erhaltungszustandes Denkmalwert zu. Mit ihrer markanten Lage über dem Finkenbachtal ist die Hofanlage von städtebaulicher Bedeutung. Vor allem aber ist der Falkenhof aus geschichtlichen Gründen Kulturdenkmal: Die wechselvolle Geschichte des Objektes vom planmäßigen, landwirtschaftlichen Mustergut im Auftrag einer überregional bedeutenden Lederwarenfirma über die Nutzung als jüdisches Lehrgut als Vorbereitung für den Aufbau des Staates Israel bis zur Übernahme durch einen hochrangigen NS-Funktionär machen die Hofanlage zu einem Geschichtszeugnis, an dessen Erhalt für zukünftige Generationen ein öffentliches Interesse besteht.


Als Kulturdenkmal nach § 2 Absatz 1 Hessisches Denkmalschutzgesetz aus geschichtlichen und städtebaulichen Gründen in das Denkmalverzeichnis des Landes Hessen eingetragen.

Legende:

Kulturdenkmal nach § 2 Abs. 1 HDSchG
Kulturdenkmal (Gesamtanlage) nach § 2 Abs. 3 HDSchG
Kulturdenkmal (Grünfläche) nach §2 Abs. 1 oder § 2 Abs. 3 HDSchG
Kulturdenkmal (Wasserfläche) nach §2 Abs. 1 oder § 2 Abs. 3 HDSchG
Weitere Symbole für Kulturdenkmäler nach § 2 Abs. 1 HDSchG:
Wege-, Flur- und Friedhofskreuz, Grabstein
Jüdischer Friedhof
Kleindenkmal, Bildstock
Grenzstein
Keller bzw. unterirdisches Objekt
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