Dom und Pfarrkirche St. Georg und Nikolaus, Grabmal Konrad Kurzbold, Detail Trägerfigur
Grundriss des Domes mit den gesicherten Resten des Gründungsbaus von 910 und der Verschiebung der Langhauspfeiler bei Einführung des gebundenen Systems in der zweiten Bauentwicklungsphase.
Dom und Pfarrkirche St. Georg und Nikolaus, Gewölbekonsole
Hubert Stier, Dom zu Limburg, Längenschnitt 1870 [HHStAW, 3011/1, 9915V]
Hubert Stier, Dom zu Limburg, Schnitt durch das Querschiff, 1870 [HHStAW, 3011/1, 9779H]
Domplatz 1, Georg Moller, Domkirche zu Limburg, Ansicht von der Ostseite, 1825/26, LfDH
Dom und Pfarrkirche St. Georg und Nikolaus, Grabmal des Stiftsgründers Konrad Kurzbolds, historische Aufnahme
Dom und Pfarrkirche St. Georg und Nikolaus, Blick ins südliche Querhaus
Dom und Pfarrkirche St. Georg und Nikolaus, Ansicht von Westen
Carl Junker, Dom zu Limburg an der Lahn, Südseite des Langschiffs, westliche Travee, 1874 [HHStAW, 3011/1, 9785H]
Domplatz 2
Dom und Pfarrkirche St. Georg und Nikolaus, Chor von Süden
Dom und Pfarrkirche St. Georg und Nikolaus, Grabmal des Stiftsgründers, historische Aufnahme
Dom und Pfarrkirche St. Georg und Nikolaus
Wandmalerei des Samson, südliches Querhaus
Dom und Pfarrkirche St. Georg und Nikolaus, Fenster Südseite mit älterem Biforenfensterchen
Dom zu Limburg a. d. Lahn, historische Aufnahme des unverputzten Domes
Domplatz 2 historische. Aufnahme (Stadtarchiv Limburg)
Dom und Pfarrkirche St. Georg und Nikolaus, Blick ins südliche Querhaus
Dom und Pfarrkirche St. Georg und Nikolaus, Vierung und Chor nach Osten
Dom und Pfarrkirche St. Georg und Nikolaus, Deckenfresko
Dom und Pfarrkirche St. Georg und Nikolaus, Maskenkonsole
Epitaph südliches Querhaus, Epitaph von 1477
Dom und Pfarrkirche St. Georg und Nikolaus, Nordwand des Langhauses
Dom und Pfarrkirche St. Georg und Nikolaus, Mittelschiff
Dom und Pfarrkirche St. Georg und Nikolaus, Ansicht von Süden
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Limburg-Weilburg, Landkreis
Limburg
  • Domplatz 2
  • Mühlberg 2
Ehem. Stifts- und Pfarrkirche St. Georg und Nikolaus, seit 1827 Dom- und Pfarrkirche der Diözese Limburg
Flur: 28
Flurstück: 21, 46/20

Der Limburger Dom ist als hervorragendes Beispiel spätstaufischer Baukunst mit weitgehend erhaltener originaler Raumfassung und etlichen qualitätvollen Ausstattungsstücken ein national bedeutendes Kulturdenkmal höchsten Ranges. In überaus beeindruckender landschaftlicher Lage auf dem felsigen Steilufer der Lahn gelegen, prägt er nicht nur das Stadtbild, sondern in der Fernsicht die gesamte nähere Umgegend.

Die Bewunderung zahlreicher Besucher in der Zeit der Romantik und die Verbreitung seines Erscheinungsbildes in mehreren Druckwerken führten auch zu einer recht frühen wissenschaftlich geprägten Beschäftigung mit dem Bauwerk und seiner Geschichte. Die Ernennung der ehemaligen Stiftskirche zum Bischofssitz 1827 sowie mehrfache Erneuerungs- und Renovierungsmaßnahmen gaben der Erforschung des Gebäudes bis heute immer neue Impulse. Unter anderem durch den Mangel an schriftlichen Quellen zur hochmittelalterlichen Baugeschichte kam es dabei zu vielfachen Kontroversen über Vorgängerbauten, Auftraggeber, Herkunft und Schulung der Baumeister, Bauabfolge, stilistische Einschätzungen u.v.m. Bleiben zahlreiche Fragen noch offen, so konnte durch die dendrochronologischen Untersuchungen im Rahmen der jüngsten Renovierung einzelne Bauabschnitte und die Vollendung des Bauwerks zeitlich genauer bestimmt werden.

Vorgängerbauten

Die Befürworter der Existenz eines karolingischen Vorgängerbaues, der durch den Erzbischof Hetti von Trier (814-47) geweiht worden sein soll, können sich bislang ausschließlich auf eine Notiz im Nekrolog des St. Kastorstifts in Trier stützen, die jedoch erst im 16. Jahrhundert eingefügt worden war und somit - ohne materielle Belege durch eindeutige Grabungsbefunde - allein zu wenig Beweiskraft besitzt. Da allerdings unter der heutigen Kirche Bestattungen aus karolingischer Zeit gefunden wurden, wird sich mit Sicherheit im Bereich des Bergplateaus eine Kapelle befunden haben, wo diese sich aber genau lag und welchem Heiligen sie geweiht war, muss offen bleiben.

Quellenmäßig gut gesichert ist die Gründung des Limburger Chorherrenstiftes im Jahre 910 durch den Grafen Konrad Kurzbold innerhalb des Burgfriedens seiner den gesamte oberen Bergfelsen einnehmenden Burganlage (siehe Mühlberg 2). Anzunehmen ist, dass kurz danach der Bau der (ersten) Stiftskirche in Gang war, deren - alleiniges - Patrozinium des hl. Georg durch eine Schenkungsurkunde Kaiser Ottos I. im Jahr 940 belegt ist, als die Kirche wahrscheinlich schon fertig gestellt war. Bei kleineren Grabungskampagnen in den Jahren 1935 (W. Weyres) und 1975-77 (W. Bauer) sind die Fundamente sowie einige aufgehende Bauteile dieses (einzigen) Vorgängerbaues innerhalb der heutigen Kirche gefunden worden. Es lässt sich ein basilikales Langhaus mit sieben Arkadenöffnungen über sechs quadratischen Pfeilern rekonstruieren, das einen südlichen Anraum besaß. Das Aussehen dieses Raumes wie auch des zugehörigen Chores bleibt aufgrund mangelnder Anhaltspunkte bislang ungeklärt. Unterhalb dieser (ersten) Stiftskirche fanden sich nur - wie oben bereits erwähnt - die Reste eines karolingischen Friedhofes sowie eines nicht näher bestimmbaren, aber wohl profanen Gebäudes.

Eine Tafel, die noch im 17. Jahrhundert im Chor des Domes eingelassen war, vermeldet die Weihe eines „oratoriums" am 11. August 1058. Wahrscheinlich bezieht sich diese Inschrift nur auf einen neuen Bauteil (evtl. des Chors?) oder eine Kapelle im Chorbereich der ottonischen Stiftskirche und nicht auf einen völligen Neubau der gesamten Kirche, jede hierauf fußende weitergehende Vermutung muss Spekulation bleiben.

Umstritten ist heute noch, in welchem Umfang Bauteile des Vorgängerbaues des 10. Jahrhunderts in den spätromanischen Neubau integriert worden sind. Neben einigen Abmessungen, die sich auf den Vorgängerbau beziehen (die Breite der Ostarkade der Vorhalle entspricht der Breite des alten Hauptschiffes), wurden auch verschiedene kleinere Bauteile spolienhaft in den Neubau einbezogen, so die Deckplatten der umlaufenden Sitzbank im nördlichen Chorumgang mit Schachbrett- und Taustabornamenten, ein Säulchen mit frühromanischer Basis (südliches Langhaustriforium, Westjoch-Mitte) sowie ein monolithes Biforenfenster, welches in die südwestlichen Langhauswand eingelassen wurde.

Baugeschichte

Dendrochronologische Untersuchungen belegen, dass der heutige Bau spätestens im letzten Dezennium des 12. Jahrhunderts begonnen wurde, stilistische Merkmale der ältesten Kelchblockkapitelle in den westlichen Seitenschiffen weisen auf die Zeit um 1190. Man begann wahrscheinlich im Westen, wobei der Vorgängerbau zuerst inmitten der Baustelle stehen blieb - dies war eine gängige Praxis im Mittelalter (vgl. den Westbau des Domes in Wetzlar), da die Stiftsherren ihre liturgischen Pflichten nicht einfach unterbrechen konnten und zumindest anfänglich weiterhin den Altbau mit seinen Altären benutzen. Obwohl die größeren Abmessungen des Neubaues, die ihn noch näher an den steilen Felsabsturz rückte, äußerst aufwändige Substruktionen erforderten, scheint man größten Wert auf die exakte Beibehaltung des Begräbnisstelle des Stiftsgründers Konrad Kurzbolds als ideellem Zentrum der Kirche gelegt zu haben.

Der Kirchenneubau wurde - im Gegensatz zu vielen vergleichbaren mittelalterlichen Bauprojekten, die sich meist aufgrund von Finanzierungsschwierigkeiten über sehr lange Zeiträume hinzogen oder längere Perioden gänzlich ruhten - offenkundig in einem Zug innerhalb von circa fünfzig Jahren fertig gestellt (das fünfte Geschoss des Nordturmes ist durch ein Bauholz auf 1231datiert). Einzig die Südquerhaustürme wurden nicht mehr im Mittelalter ausgeführt und entstanden nach den Vorbildern im Norden erst in den Jahren 1863-64.

Das Erscheinungsbild der Stiftkirche ist von bemerkenswerter Einheitlichkeit, so dass bei flüchtiger Betrachtung keine besonders auffälligen früheren oder späteren Bauteile zu entdecken sind. Nichtsdestotrotz lässt sich aufgrund von Baufugen und -details sowie stilistischen Veränderungen eine Bauabfolge mit mehr oder weniger gewichtigen Abweichungen von dem ursprünglichen Vorhaben feststellen. Zu Beginn plante man anscheinend eine einfache Emporenbasilika mit Querhaus ähnlich der etwa zeitgleichen Liebfrauenkirche in Andernach mit ihren flächigen Wandgliederungen und kubisch geschlossene Raumkompartimenten. Vielleicht waren die Bereiche der westlichen Querhauskapellen ursprünglich als Unterbau von Chorflankentürmen gedacht. Als die Erdgeschosswände bereits mit Fensterachsen und Gewölbeansätzen standen, entschloss man sich zur Einführung des gebundenen Systems, bei dem einem Hauptschiffsjoch zwei Seitenschiffsjoche entsprechen. Durch die leichten Verschiebungen der neu konzipierten Zwischenpfeiler kam es zur sichtbaren Schrägführung der Gurtbögen zwischen den Außenwänden und den Arkadenpfeilern im Erdgeschoss wie im nördlichen Emporengeschoss. Im weiteren Baufortschritt entstand die Idee, auch Querhaus und Chor mit Emporen zu versehen und innen wie außen einen durchgehenden Laufgang zu errichten. Der ab 1205 erfolgte Einschub einer Triforiumszone als eigenständiges Geschoss zwischen Empore und Obergaden führte zu einer anfänglich so nicht vorgesehenen Höhe des Baues und größerer Steilheit der Proportionen. Weiterhin kam es zur Bereicherung des Äußeren durch die vorher nicht geplanten Querhaustürme und somit zur siebentürmigen Anlage - der einzigen in Deutschland. Durch die Verklammerung aller Bauteile durch die drei durchgehenden Zonen der Empore, des Triforiums und des äußeren Laufganges auf Höhe des Obergadens erhielt die Kirche außen wie innen ihr heutiges einheitliches Gepräge mit deutlich zentralisierender Tendenz, die durch den Vierungsturm noch unterstrichen wird.

In ihrer Gesamtheit führte der Einfluss der nur wenige Jahre älteren frühgotischen Bauten Frankreichs zu einer wachsenden Differenzierung der architektonischen Formensprache im Einzelnen wie zu komplexeren Raumbezügen im Gesamtzusammenhang des Baues. Wurde in der früheren Forschung die Limburger Stifts- und Pfarrkirche in deutlicher Abhängigkeit von der Entwicklung der Gotik im französischen Kernland gesehen und als direkte Vorbilder des vierteiligen Aufrisses, der Vieltürmigkeit und der Westrose auf die Kathedralen von Noyon, Laon, Tournai u. a. verwiesen, wird in jüngerer Zeit ihr Gepräge verstärkt aus der rheinischen Spätromanik und deren eigenständiger Auseinandersetzung mit dem neuen Stil erklärt. Wie die zukünftige Forschung den Schwerpunkt auch setzen mag, so kann zumindest festgestellt werden, dass es bei dem Bauwerk zu einer kaum trennbaren Mischung von französisch-frühgotischen mit spätromanisch-rheinischen Konzeptionen und Stilmerkmalen kam, und gerade die Verbindung der beiden Traditionen zu einem einheitlichen, überzeugenden Ganzen das Verdienst der Limburger Baumeister war.

Bis etwa 1225 war die Kirche vollständig eingewölbt und die letzten Arbeiten an den Obergeschossen der Westtürme, der Vierung und der Querhäuser bis 1232 abgeschlossen. Die Gesamtweihe der Kirche erfolgte 1235 durch den Trierer Erzbischof Theoderich II. von Wied (1212-1242).

Die Frage der Auftraggeberschaft der neuen Stiftskirche bleibt bis heute im Dunkeln, jedoch ist zu vermuten, dass es - anders als bei Gründung des Chorherrenstifts durch Konrad Kurzbold - keine Einzelpersönlichkeit war, sondern verschiedene Kräfte und Institutionen Einfluss auf den Bau nahmen. So ist der Mainzer Erzbischof und der von ihm eingesetzte Stiftspropst zu nennen, deren dominante Position nach 1227 durch den Trierer Bischof als Diözesanherr sowie die Isenburger, die um 1220 als Erben der Leininger als Stadtherren und Stiftsvögte in Limburg werden, abgelöst wurde. Auch das Domkapitel, das sich aus den nachgeborenen Söhnen der umliegenden Adelsfamilien rekrutierte, wird seinen Einfluss geltend gemacht haben. Nicht zu vernachlässigen ist wohl auch die Rolle der Stadtgemeinde, die im Lauf des 12. und zu Beginn des 13. Jahrhundert wirtschaftlich erstarkt war und bei der Errichtung der Kirche, deren Langhaus als Stadtpfarrkirche dienen sollte, ein gewichtiges Wort mitsprach. Bei der im Mittelalter untrennbaren Verbindung religiöser und weltlicher Motive diente der Beitrag zu so einem wichtigen Bauprojekt sicher auch dazu, einen Herrschaftsanspruch über das Stift bzw. die Stadt zu dokumentieren bzw. ggf. zu legitimieren. Inwiefern die Konkurrenz der verschiedenen Parteien jedoch dazu führte, sich gegenseitig durch reiche Schenkungen und Gaben zu übertrumpfen bzw. unmittelbaren Einfluss auf das Erscheinungsbild zu nehmen, kann weder anhand von Quellen noch am Bau selbst nachgewiesen werden.

Baubeschreibung

Der heutige Dom St. Georg und Nikolaus ist eine dreischiffige, gewölbte Emporenbasilika gebundenen Systems über kreuzförmigem Grundriss. Die drei unteren Geschosse der monumentalen Westfront in schlichter, stark flächiger Aufteilung; die beiden sich frei erhebenden Obergeschosse in reicherer, mehrschichtiger Gliederung entsprechend der späteren Entstehungszeit. Die kleeblattförmige Türöffnung des Hauptportals ist gerahmt von einem dreifach abgestuften Spitzbogen mit eingestellten Säulchen. Die Ansätze des inneren Archivoltenrundstabes sind mit zwei männlichen Sitzfiguren geschmückt. Der rechte mit Mantel und Schwert wird als der Bauherr, der bärtige links mit Wanderstab als der Baumeister gedeutet. Die nördlichen Säulenkämpfer zeigen spätromanisches Rankenwerk mit kleinen Fratzen- und Tierköpfen, während auf der südlichen Seite die gotische Form - Blattkapitelle mit eingerollten Knospenspitzen - gewählt wurde. Diese gleichzeitige Verwendung älterer und moderner Formen findet sich am gesamten Bau, wobei die „älteren", weit aufwändiger herzustellenden romanischen Kelchblockkapitelle manchmal als höherwertigeres Detail an exponierterer Stelle (etwa im Zentrum der Triforiumsarkaturen auf der südlichen Langhausseite) eingesetzt wurden. Die das Portal flankierenden Mauerflächen sind durch große Blendspitzbogen gegliedert. Die spitzbogigen Fensteröffnungen bzw. Blendbogen des zweiten Geschosses sitzen in Blendrahmen aus Lisenen und Rundbogenfriesen. Im übergiebelten oberen Mittelfeld zwischen den Türmen ein aus frühgotischem Kreismaßwerk zusammengesetztes Rosenfenster (Vorbild am Nordquerhaus zu Laon), das von Brustfiguren der vier Evangelisten in den Zwickelflächen umgeben wird (in den 1870er Jahren erneuert). Es versinnbildlicht somit die Majestas Domini - der verherrlichte Christus in der himmlischen Zeitlosigkeit (die Achtzahl der umgebenden Kreise verweist auf die Ewigkeit). Sonst findet sich kein figürlicher Schmuck außer einigen Maskenköpfen am Nordturm. Die beiden Türme in Gliederungselementen und Fensterformen unterschiedlich, jedoch beide mit aufwändig gestalteten Fenster- und Schallöffnungen sowie abwechslungsreichen Zierfriesen (der Nordturm ein frühes Beispiel der Verwendung von Maßwerkfriesen). Die Turmhelme besitzen spätromanischen Rhombendächern. An Langhaus, Querschiff und Chor ist der Obergaden durch einen rings den Bau umziehenden Laufgang bereichert (vgl. Langhaus des Bonner Münsters), jeweils drei spitzbogige Arkaden auf freistehenden Säulchen vor jedem Joch. Langhaus und Chor zeigen kräftige, mehrfach abgetreppte Strebepfeiler mit dünnen Strebebögen über den Seitenschiffen bzw. dem Chorumgang; sie stützen die Hauptpfeiler des Mittelschiffs bzw. des Chorobergadens. Das Strebewerk der Nebenpfeiler unter den Pultdächern der Seitenschiffe und des Umgangs verborgen. An den Seitenschiffen zwei Geschosse kleiner Fenster; das südliche Seitenschiff mit Bogenfries. In den beiden ersten Geschossen der Querschiff-Giebel durchlaufende horizontale und keine vertikalen Teilungen; über einem breiten Wasserschlag beginnen dann unvermittelt die Flankentürmchen. An der Ostseite des Querschiffs außen rechteckig ummantelte Nebenapsiden der Kapellenräume im Erd- und Emporengeschoss. An den obergeschossigen Querhauskapellen beginnt die den gesamten Chor umziehende Zwerchgalerie, die nach trierisch-lothringischen Traditionen (vgl. St. Simeon an der Porta Nigra in Trier) mit geradem Gebälk schließt. Am Untergeschoss des Vierungsturms nachträglich wegen einer Dachveränderung zugemauerte Fenster; das folgende Geschoss über Firsthöhe hat einfache große Fenster.

Der vertikale Längsschnitt des Kircheninneren zeigt fünf scharf markierte Abschnitte: das hallenartige Untergeschoss der Doppelturmfront, das mit seinen vier Jochen unter zwei sechsrippigen Gewölben zusammengefasste Langhaus, die von einer hohen achtseitigen und befensterten Zentralkuppel überstiegene Vierung und der Chor, dessen vorderer rechteckiger und hinterer halbrunder Teil ein gemeinschaftliches sechsteiliges Rippengewölbe zusammenschließt; um den Chor ein schmaler Umgang mit drei segmentförmigen Altarnischen in der starken Außenwand.

Im gesamten Kircheninnenraum ist der Wandaufbau entsprechend dem frühgotischen Gestaltungsprinzip zweischalig, was reizvolle Durchblicke und Perspektiven ermöglicht. Das System des Aufbaus vierteilig: Im Erdgeschoss des Langhauses ungegliederte Arkaden auf quadratischen Pfeilern, der Hauptpfeiler breiter mit rechteckiger Vorlage und drei Diensten; die Pfeilervorlagen sind ebenso wie die Vierungspfeiler und die Eckdienste des Querhauses ohne Unterbrechung bis zum Gewölbekämpfer geführt, wo durchgehende Kapitellzonen sie abschließen. Das zweite Geschoss (Empore) von gleicher Höhe, Öffnungen zweiteilig unter Blendbogen, als Träger schlanke Säulchen, die Bogen profiliert. Von den Emporen aufwärts sind auch den Zwischenpfeilern Mitteldienste vorgelegt, um welche die oberen Gesimse sich verkröpfen, eine in Deutschland sonst nicht übliche Feinheit. Im dritten Geschoss Triforium von je vier Öffnungen. Im vierten Geschoss hohe Obergadenfenster mit glatten Laibungen. Sämtliche Bögen im Wandsystem nur leicht, im Gewölbe dagegen stark gespitzt. Die Zwischenrippen der sechsteiligen Gewölbe setzen etwas höher an über eckigen, von drei Säulchen umgebenen Vorlagen; dünne Schildbögen; Schlusssteinringe. Die deutlich gebuste Gewölbeform betont noch im Sinne der Spätromanik den selbständigen Baldachincharakter des einzelnen Jochs. In den Westtürmen und der Turmhalle, in den Seitenschiffen und über den Emporen nur Gratgewölbe. In den nach außen verbreiterten Seitenschiffwänden liegen drei geradläufige Emporentreppen, mit dreiteiligen Arkaden auf Säulchen nach innen geöffnet; zwei weitere Treppen beidseits des Chors. In der Turmhalle Westempore über getrepptem Rundbogen, etwas höher als die Seitenschiffemporen; sie bildet mit den beiden angrenzenden Räumen der Türme einen Querraum mit ehem. eigener liturgischer Nutzung als Katharinenchor; ein Konsolrest des ehem. Altarerkers in der Emporenbrüstung noch erkennbar (vgl. die noch bestehenden Anlagen in Andernach oder Dietkirchen).

Das System des Mittelschiffs setzt sich ähnlich durch Querhaus und Chor fort, so dass sich durch die den ganzen Kirchenraum ununterbrochen umschließenden Emporen eine reiche, insgesamt zusammenfassende Wirkung ergibt. Allerdings ist die Emporentiefe im Ostteil nur gering, und im Erdgeschoss des Querschiffs bleiben die Arkaden im Westen blind. Die Emporen wohl teils liturgisch bedingt (auf ihnen standen Altäre für die Kanoniker und für Privatandachten), teils ästhetisch, schließlich durch die Bautradition an Rhein und Lahn (vgl. Niederlahnstein, Bad Ems und Dietkirchen). Im Unterschied zum Langhaus sind in den jüngeren Ostteilen die Emporenarkaden dreigeteilt mit breiteren und höheren Mittelbögen und die Zwischendienste bis zum Fußboden durchgeführt. An den Querschiffgiebeln reichen die Nischen der Obergadenfenster bis auf den Boden des Triforiums, eine wohl von normannischen Bauten entlehnte Gliederungsform (vgl. in Frankreich Caen und Lessay, in England Norwich, im rheinischen Bereich St. Gereon in Köln, Sinzig und Wetzlar). In den Querarmen siebenteilige Rippengewölbe. In der Vierung sind die Eckdienste höher geführt, darüber Halbkuppeln, die zum Achteck überleiten (sehr ähnlich die ehem. Abteikirche in Offenbach am Glan). Der Vierungsturm innen mit Eckdiensten auf Fratzenkonsolen, im unteren Geschoss die vermauerten Fenster noch als Blenden sichtbar; achtteiliges Kreuzgewölbe. Im Chor, in der nördlichen unteren Seitenapsis und in den beiden Seitenapsiden der Emporen sechsteilige Rippengewölbe; in der südlichen unteren Apsis und im Umgang Gratgewölbe, nur das mittlere im Umgang mit Rippen.

Die Plastizität der Architekturglieder schaffen in Verbindung mit der strukturierenden und interpretierenden zeitgenössischen Ausmalung einen einzigartigen Eindruck, der den ursprünglichen Charakter des Kirchenraums im 13. Jahrhundert zumindest annäherungsweise erkennen lässt. Leider fehlt die ursprüngliche Befensterung des 13. Jahrhunderts, die während des 18. Jahrhunderts entfernt wurde, zur weiteren Komplettierung der Anschauung.

Die Gottesdienstbereiche der Chorherren und der Pfarrgemeinde waren streng voneinander getrennt. Für die vielfachen liturgischen Verpflichtungen der Kleriker waren die Vierung und das Chorhaupt durch hohe Chorschranken bzw. zum Langhaus durch einen Lettner (mit zentraler Kanzel) ausgeschieden. Hier befanden sich der Hauptaltar sowie der Kreuzaltar (dotiert 1301), auf den das Hochgrab Konrad Kurzbolds im Zentrum der Vierung ausgerichtet war, der seinerseits von dem Chorgestühl der Stiftsherren umgeben war.

Dagegen diente das Langhaus der Stadtgemeinde als Pfarrkirche, der Nikolausaltar, der sich direkt an den Lettner anlehnte, war deren Hauptaltar. Die Altäre im Querhaus, auf den Emporen und in der Katharinenkapelle im Westbau waren Stätten der Verehrung einzelner Heiliger und Orte der im Lauf des Mittelalters zunehmenden Privatmessen.

Der gesamte Bau war nach seiner Fertigstellung - wie im Mittelalter üblich - innen wie außen verputzt und bemalt worden. Die Freskierung des Inneren, die sich unter Übermalungen der Barockzeit und des 19. Jahrhunderts zu circa siebzig Prozent - wenn auch in stark verblasstem Zustand - erhalten hat, gehört heute zu den besterhaltenen und umfangreichsten Raumfassungen des 13. Jahrhunderts in Deutschland. Die malerische Ausgestaltung verstärkte zum einen durch die unterschiedliche Farbgebung und Bemusterung die Artikulierung und Differenzierung der einzelnen Architekturglieder und diente zum anderen durch figürliche Darstellungen der symbolischen Ausdeutung der einzelnen Bauteile bzw. Raumkompartimente. Das Mittelschiffsgewölbe stellt die „Welt" (Darstellung von Erde und Wasser) dem „Himmel" (Garten Eden mit den Paradiesflüssen, der durch die Erzengel Michael und Gabriel bewacht werden) gegenüber. Auf dem Chorbogen - dem Eingang zum Allerheiligsten - ist als weitere himmlische Szene der thronende Christus mit den beiden heiligen Patronen Georg und Nikolaus dargestellt, die als Fürbitter des Stiftes und der Stadt auftreten. Auch das Südquerhaus zeigt reichen malerischen Schmuck, die sich auf die hier einst vollzogenen Taufen beziehen. Erst das Taufsakrament und der Glauben an den Gekreuzigten (im Zwickelbereich der Querhausostwand) eröffnen den Paradiesgarten wieder, der durch die Akanthusmalerei in den Gewölbezwickeln symbolisiert wird. Auch die beiden monumentalen Bilder Samsons als Glaubenszeuge und Typus Christi (Westwand des Südquerhauses) und Johannes des Täufers (Obergadenzone) beziehen sich direkt auf das hier stattfindende Geschehen.

Spätere Anbauten, Umgestaltungen und Renovierungen

Das Spätmittelalter fügte dem fertigen Bau zwei Kapellen hinzu. In der Zeit des früheren 14. Jahrhunderts entstand ein vierjochiger, zweigeschossiger Anbau an das nördliche Langhaus mit großen Maßwerkfenstern im Obergeschoss, in dem u. a. der Altar St. Simon und Judas aufgestellt war. Dieses Gebäude wurde leider bei der Renovierung 1873-75 abgerissen. Circa hundert Jahre später war das zweite westliche Joch des südlichen Seitenschiffes zur Erasmuskapelle verbreitert und mit einem fünfteiligen Maßwerkfenster ausgestattet worden. An der Nordostseite des Chorrundes wurde eine zweistöckige gotische Sakristei mit kreuzgewölbten Räumen angebaut (1873 stark verändert sowie ein barocker Anbau abgebrochen).

Sehr viel bedeutender waren die Eingriffe, die in der Neuzeit vor allem durch „Renovierungsmaßnahmen" von Ausstattung sowie Raumfassung vorgenommen wurden. Um 1600 erfolgte die Entfernung der Lettner. Ab 1749 wurde der Innenraum barockisiert, wobei man die Raumfassung übertünchte und die Ausstattung barockisierte, damals befanden sich einem Inventar zufolge noch 28 Altäre in der Kirche. 1774 setzte ein Blitz das Dachtragwerk der Stiftskirche in Brand, so dass die Dächer sowie der Vierungsturmhelm vollständig ersetzt werden mussten. Letzterer wurde dabei um 6,50 Meter erhöht. 1776 musste der ursprüngliche Hochaltar des 13. Jahrhunderts, der unter einem quadratischen Ziborium über Marmorsäulen stand (Fragmente im Diözesanmuseum) weichen, ein Jahr später wurde das Stiftergrab in das Nordseitenschiff versetzt. 1840 wurde der Innenraum im Sinne des Klassizismus weitgehend weiß gefasst. 1869-73 erfolgte eine allgemeine Restaurierung nach einem Konzept von Hubert Stier. Angestrebt war ein ideeller mittelalterlicher Raumeindruck mit Übermalung der damals wieder entdeckten staufischen Wandfassung und neugotischer Ausstattung. Im Zuge der Arbeiten wurden die Chorschranken an ihre heutige Stelle zwischen den Chorpfeilern versetzt und der Außenputz entfernt. 1934/35 Renovierung unter Architekt Willy Weyres, dabei vorherige Grabungen. 1967-91 erfolgte die jüngste Renovierung nach denkmalpflegerischen und liturgischen Gesichtpunkten. Die Abnahme des Putzes 1871-74 hatte zunehmende Schäden des Bruchsteinmauerwerkes zur Folge gehabt, der durch eine Neuverputzung Einhalt geboten werden musste. Anhand restauratorischer Befunde erhaltener Farbreste verlieh man dem Äußeren eine dem ursprünglichen Zustand angenäherte kräftige und die Bauglieder differenzierende Farbgebung. Die vorauszusehende Schädigung der erhaltenen Innenraumfassung gab ab 1974 Anlass zu deren Freilegung und vorsichtigen Retuschierung von Fehlstellen. Den Forderungen des zweiten Vatikanums entsprechend wurde der Innenraum für die neuen liturgischen Bedürfnisse umgestaltet, so wurde z. B. der neue Hochaltar an die Stelle des ehemaligen Kreuzaltars unterhalb der Vierung vorgezogen.

Ausstattung

Von der Ausstattung des 13. Jahrhunderts blieben neben den 1872-77 in das Chorhaupt versetzten Chorschranken nur zwei, jedoch sehr bedeutende Objekte erhalten, das Grabmahl Graf Konrad Kurzbolds sowie der Taufstein.

Die Grabplatte des 948 verstorbenen Stifters wird von sechs figurengeschmückten Säulchen getragen, die an den Ecken vier Kleriker sowie Löwe und Bär als Symboltiere für Tapferkeit und Stärke zeigen, und die noch dem 11. Jahrhundert zugeschrieben werden Ob sie bereits in dieser Zeit zu einer wie auch immer gearteten Grabanlage gehörten, ist wahrscheinlich, aber nicht mehr beweisbar. Die sich darüber erhebende Grabplatte wurde erst für den Neubau angefertigt und zeigt Konrad als Standfigur in der Adelstracht seiner Zeit mit langem, bortenbesetztem Unterkleid und pelzgefüttertem Mantel, dessen Tasselband er in höfischer Gestik festhält. Seine Rechte umfasst einen Richterstab als Zeichen seiner judikativen Aufgaben als Gaugraf. Die Deckplatte, die Gestaltungsmerkmale gotischer Figuralplastik mit sehr altertümlich stilisierten Faltenverläufen verbindet, steht vereinzelt unter zeitgleichen Bildhauerarbeiten und lässt sich vielleicht durch den Versuch der Annäherung an das Vorgängergrabmal verstehen.

Das große, achtseitige Taufbecken über acht Kurzsäulchen und Mittelfuß, welches ursprünglich im Südquerhaus über einem Brunnen aufgestellt war, befindet sich jetzt in der Erasmuskapelle. Die zentrale Darstellung der Taufe Christi wird umgeben von Tugenden und Lastern, die im Einzelnen jedoch nicht genau zu deuten sind. An spätmittelalterlichen Ausstattungsstücken zu nennen ist das sehr schlanke Sakramentshäuschen von 1496, in dessen hohen Gesprenge die Figuren Marias, umgeben von den hll. Georg und Nikolaus sowie zwei Engel und vier Evangelisten eingestellt sind (Figuren teilweise von der Renovierung von 1658 bzw. 19. Jahrhundert). Dem Jahr 1477 entstammt das Epitaph des Ehepaares Daniel und Jutta von Mudersbach im Südquerhaus, das als qualitätvolle mittelrheinische Arbeit die Knienden vor einer Pietagruppe zeigt.

Aus der frühen Neuzeit entstammt das in seiner Farbigkeit erhaltene Epitaph des Kanonikus J. Hepp (1599) im Nordseitenschiff mit der Darstellung der Speisung der Fünftausend, weitere Renaissance- und Barock-Epitaphien finden sich vor allem im Querhaus. Zahlreiche, ursprünglich in den Boden eingelassene Grabplatten des 17. und 18. Jahrhunderts wurden in die kleine Kapelle am Nordseitenschiff übertragen. Seit ca. 1975-77 befindet sich im Erdgeschoss der Kirche ein neuer Tonfliesenbelag.

Nach der letzten Renovierung ersetzte man einige Fensterverglasungen durch Werke bedeutender Glaskünstler der Moderne, Georg Meistermann (Chorobergaden), Johannes Schreiter (Querhauskapellen) sowie Hubert Spierling (Chormittelachse).


Als Kulturdenkmal nach § 2 Absatz 1 Hessisches Denkmalschutzgesetz aus geschichtlichen, künstlerischen und städtebaulichen Gründen in das Denkmalverzeichnis des Landes Hessen eingetragen.

Legende:

Kulturdenkmal nach § 2 Abs. 1 HDSchG
Kulturdenkmal (Gesamtanlage) nach § 2 Abs. 3 HDSchG
Kulturdenkmal (Grünfläche) nach §2 Abs. 1 oder § 2 Abs. 3 HDSchG
Kulturdenkmal (Wasserfläche) nach §2 Abs. 1 oder § 2 Abs. 3 HDSchG
Weitere Symbole für Kulturdenkmäler nach § 2 Abs. 1 HDSchG:
Wege-, Flur- und Friedhofskreuz, Grabstein
Jüdischer Friedhof
Kleindenkmal, Bildstock
Grenzstein
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