Michaelskapelle
Altarretabel von 1908/nach 1950
Türblattbeschlag am EG-Zugang
Deesisgruppe in der Westwand
Ansicht von Nordost
Ansicht von Nordost
Michaelskapelle, Gliederung der Erdgeschosszone
Goethestraße 1, Michaelskapelle, Ansicht von Südwest
Altarretabel von 1908/nach 1950
Blick von der Empore
Goethestraße 1, Michaelskapelle, Ansicht von Südwest
Schlussstein des nördl. Gewölbejoches
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Lahn-Dill-Kreis
Wetzlar
  • Goethestraße (WZ) 1
Kapelle
Flur: 15
Flurstück: 25

Erstmals 1292 wird die Kapelle anlässlich der Ausstellung einer Urkunde als „ossarium" (Beinhaus, Kerner) genannt. Weitere Nennungen 1299, 1306, 1307 und 1328 zeigen, dass im Erdgeschoss, dem Beinhaus, der Michaelsaltar stand. 1378 wurde Heinrich Schreiber wegen seiner Verdienste um die Wiedererlangung der Güter des Michaelsaltars mit einer Messe und den damit verbundenen Einkünften bedacht. Der Hauptraum darüber, nach seinem Altar erstmals 1303 als Laurentiuskapelle bezeichnet, wurde für die Rechtsgeschäfte des Kapitels benutzt, zuweilen auch für Kapitelssitzungen. 1420 kam - vermutlich in der oberen Kapelle - ein Margarethenaltar hinzu, der später mit dem Laurentiusaltar vereinigt wurde. 1543 wurden die Vikarien der Altäre der Stiftsschule zugewiesen, womit auch die liturgische Funktion des Kerners aufgelöst wurde; es fanden aber noch katholische Gottesdienste statt. Noch 1758 erfolgte eine Bestattung in der Kapelle, 1760/61 war sie Aktenmagazin, 1814 erfolgte der zunächst letzte Gottesdienst. Bis zur Neueinrichtung als Kapelle 1854 diente das Gebäude als Magazin für Stroh, Kartoffeln, Salz und Getreide. 1854 wurde die Zwischendecke entfernt, 1900 der Raum renoviert und umgestaltet. Die Kapelle liegt südlich des Domchores auf dem Kirchhof, der bis 1757 als Friedhof genutzt wurde. Der heutige Altar ist gesüdet. Kompaktes, geputztes und weiß gekalktes Gebäude aus Bruchstein mit Hausteinecken in der Größe und Struktur eines Hauses. Das schieferbeschlagene Zeltdach trägt über dem nördlichen Gebäudeteil einen niedrigen, barockzeitlichen Dachreiter, der zur Aufnahme einer Schlaguhr errichtet worden war. Ursprünglich war das Gebäude eine Doppelkapelle mit Kerner (Beinhaus) im Erdgeschoss und Kapelle der Stiftsgeistlichen im Obergeschoss. Die Gebäudeteilung im Inneren ist heute entfernt, jedoch sind beide Zugänge an der fensterlosen Nordseite mit die Treppe einschließender Verdachung erhalten: Der heutige Hauptzugang zur Kapelle war die Tür (mit spätmittelalterlichem, eisenbeschlagenem Türblatt) in den Kerner; die über eine Außentreppe zugängliche Tür (jetzige Form um 1950) für den früheren oberen Raum führt heute auf die schmale Orgelempore. Alle Fenster belichteten den oberen Raum; in der südlichen Giebelwand befinden sich Fenster und Luke für den Dachraum, die Ostwand ist mit drei Fenstern geöffnet, in der Westwand befinden sich zwei. An der Stelle des dritten Fensters ist ein Rundbogen mit einer steinernen, mit „1509" bezeichneten Kreuzigungsgruppe unter einem weit vorgezogenen Abdach eingetieft. Die Figurengruppe ist von zwei vergitterten und mit Profilrahmen und Wappenschilden (Wappen nicht eindeutig zuzuordnen) versehenen Nischen flankiert, die nach vorn und zur Nische geöffnet sind; sie nahmen ursprünglich vermutlich Ewige Lichter auf. Die bis in halber Wandhöhe abgeflachte und in eine Figurennische übergehende Südwestecke zeigt einen Engel in betender Haltung (von 1900?). Die Westwand ist im Erdgeschossbereich durch drei Spitzbögen mit einer Innenteilung aus blinden Doppelfenstern sowie unter der Kreuzigungsgruppe mit zwei (ungleich hohen) vermauerten Türen gegliedert; sie bilden den Rest eines an den Kerner nach Westen angebauten Kreuzgangs, der den Friedhof der Stiftsgeistlichkeit umschloss. Urkunden von 1483 und 1516 belegen, dass hier ein Altar stand und Messen gelesen wurden. Möglicherweise erfolgte der Zugang zur oberen Laurentiuskapelle durch einen Gang über den angebauten Kreuzgang; wahrscheinlich bestand eine direkte Verbindung zur Stiftskirche. Im Inneren war die ehemalige Unterkirche ohne Fenster. In der Westwand befinden sich jedoch fünf Nischen unterschiedlicher Form und Größe, von denen mehrere inmitten der Rundbogen nach außen, zum Kreuzgang um den Stiftsherrenhof hin, offen gewesen sein könnten; die südliche Tür entstand aber vielleicht erst 1832. Der Altar wird in mittelalterlicher Zeit an der Ostwand den Öffnungen und Eingängen gegenüber gestanden haben, der Raum war damit quer genutzt und bildete den „überdachten" Bereich des Stiftsherrenfriedhofes als Pendant zur Stiftskirche. Die höhere und repräsentativere frühere Oberkirche ist mit drei querrechteckigen frühgotischen Rippengewölben auf Laubwerkkonsolen mit quadratischen Profilplatten gewölbt. Die Schlusssteine (von Nord nach Süd) zeigen vier um eine Raute angeordnete dreiteilige Kleeblätter, das Lamm Gottes und einen Löwen oder Greif; Laubwerk und Knollen reichen vom Spiegel in die Rippenzwickel. Die fünf Fensternischen - an der Stelle der Kreuzigungsgruppe befindet sich kein Fenster - sind wesentlich breiter als die segmentbogig geschlossenen Fenster selbst, die nachträglich nach oben und unten verlängert wurden. Die die Fenster flankierenden Mauerbahnen waren vermutlich bemalt und bildeten ein breites, nur in der Mitte diaphanes Fenster. Das Südfenster scheint in originaler Größe erhalten zu sein. Das Rippenprofil, die Schlusssteine sowie die Gewölbekonsolen legen stilistisch eine Entstehung der Kapelle kurz vor bzw. um 1250 nahe. Ein aufwändiges, neogotisches Retabel aus Holz ersetzte 1908 den Barockaltar aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, der nach Wasserliesch bei Trier verkauft wurde; es wurde um 1950 zur heutigen Form vereinfacht: Die Mittelnische mit Kruzifix wird von Relieftafeln mit zwei Szenen aus dem Leben des hl. Norbert unter Maßwerkdoppelbögen flankiert; über der Mittelnische befindet sich ein Pelikan mit Jungen. Zur heutigen Ausstattung gehören ferner eine kleine Madonna aus Sandstein vermutlich des 17. Jahrhunderts, eine Pietà aus dem 17. oder frühen 18. Jahrhundert, barocke Standfiguren der hll. Joseph und Nepomuk aus der Mitte bis zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sowie ein (elektrifizierter) flämischer Leuchter. Die Orgel stammt von Förster & Nicolaus in Lich (wohl um 1950); 13 Register sind auf zwei Manuale und Pedal verteilt, hinzu kommen Spielhilfen und eine Setzerkombination.


Als Kulturdenkmal nach § 2 Absatz 1 Hessisches Denkmalschutzgesetz aus geschichtlichen, künstlerischen und städtebaulichen Gründen in das Denkmalverzeichnis des Landes Hessen eingetragen.

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