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Fabrikensemble, bestehend aus Wohnhaus (Direktorenvilla), Werkshalle sowie Seilerbahnhalle, 1943-59
Geschichte
Die Firmenhistorie der Frankfurter Seilereifabrikation Reutlinger reicht zurück bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts. Zu den bedeutendsten Aufträgen des Unternehmens zählte u.a. die Herstellung der Seile zum Aufzug der Kolossalstatue der „Germania“ auf den Sockel des Niederwalddenkmals bei Rüdesheim (1883) sowie der Seile für die Aufstellung der monumentalen Atlasgruppe auf dem Dach der Eingangshalle des Frankfurter Hauptbahnhofs (1889).
1873 begann mit der von Wilhelm Benjamin Reutlinger begründeten „Draht- und Hanfseilfabrik“ (zunächst benannt „Wilhelm Reutlinger – Seilerwaaren en gros – Frankfurt am Main“) die industrielle Herstellung und Verarbeitung von Hanf- und Drahtseilen. Neben dem zunächst in der Großen Fischergasse gelegenen Kontor betrieb die Firma drei Seilerbahnen im Frankfurter Stadtgebiet.
1889 entstand eine neue Fabrikationsanlage an der Offenbacher Landstraße. Hier ließ Reutlinger eine rund 300 m lange gedeckte Seilerbahn mit Fetterei und Schlosserei errichten, die die Produktion von Seilen entsprechend der Länge der bis an den Goldbergweg reichenden Bahn ermöglichte.
Im Oktober 1943 erlitt die bis zum Ende des Ersten Weltkriegs stetig modernisierte und erweiterte Anlage durch einen Luftangriff schwere Zerstörungen. Während die hölzerne Seilerbahn gemeinsam mit einem kleineren auf dem Gelände befindlichen Funktionsbau (nördlich der Werkshalle) komplett abbrannte, wurde die zentrale aus Backsteinen bestehende Werkshalle nur partiell beschädigt. Die Bauakten dokumentieren den zügig in Angriff genommenen Wiederaufbau, der zunächst ohne baupolizeiliche Genehmigung ausgeführt und bereits 1944 vollendet war. Die Genehmigung der vom Frankfurter Architekten Carl Franz Diehl angefertigten und nachträglich eingereichten Pläne erfolgte 1946. Neben der wiederhergestellten Werkshalle entstanden ein neuer funktionaler Ersatzbau zur Unterbringung von Büro-, Lager- und Personalräumen, sowie das längenmäßig etwas verkürzte Gebäude der Seilerbahn, für deren Konstruktion diesmal Backstein herangezogen wurde. Die mehrteilige Werkshalle erfuhr noch bis in die 1980er Jahre gemäß ihrer Funktion Erweiterungen und Umbauten (u.a. Teilunterkellerung und östliche Erweiterung, 1949, Architekt Heinrich Huber). 1959-61 entstand als großvolumiger Anbau im Süden ein neuer Hallenkomplex. Für die moderne Stahlbetonkonstruktion verantwortlich zeigte sich Ottokar Hiller.
Firmeninhaber Wilhelm Benjamin Reutlinger hatte den jungen Frankfurter Architekten Hiller bereits rund fünf Jahre zuvor mit dem Bau eines modernen Wohnhauses auf dem Firmengelände beauftragt. Sein spannungsreicher Entwurf erfuhr 1955-56 nördlich der Fabrikationsanlagen, leicht zurückgesetzt von der Offenbacher Landstraße seine Umsetzung.
Mitte der 1980er Jahre musste die Firma aus wirtschaftlichen Gründen einen Großteil ihrer Fabrikation einstellen.
Baubestand
Werkshalle
Die Werkshalle geht in ihren Grundzügen auf den historischen Baubestand des späten 19. Jahrhunderts zurück. Zeittypisch als partiell ziegelsichtiger Mauerwerksbau errichtet, geht ihr seit dem Wiederaufbau der 1940er Jahre der bauzeitliche dekorative Schweifgiebel an der Westfassade ab. Flache Satteldächer, zunächst als einfache Notdächer aus Blech und Pappe errichtet, bezeugen die pragmatische Bauweise des Wiederaufbaus. Der in Ost-Westrichtung sechsachsig ausgebildete Baukörper zeigt insbesondere an der West- und Nordseite noch seine bauzeitliche mittels lisenenartiger Bänder und einfacher Segmentbogenstürze rhythmisierte Fassadengliederung. Die im Zuge des Wiederaufbaus eingebrachten kleinteiligen Stahlrahmenfenster weitgehend erneuert.
Seilerbahnhalle
Die 1944 neu entstandene Konstruktion der Seilerbahnhalle spricht ganz die zweckmäßige Formsprache der durch Materialmängel und wirtschaftlichen Druck bestimmten (frühen) Nachkriegszeit. Der einfache Mauerwerksbau ist bis heute mit einem schlichten Pultdach mit einfacher Sparrenkonstruktion gedeckt. Das ursprünglich stützenfreie Innere ist heute in einzelne Kompartimente unterteilt, die durch teilweise zusätzlich in jüngerer Zeit eingebrachte Türen erschließbar sind. Die Belichtung erfolgt über die durch nahezu bodentiefe Fenster mit kleinteilig sprossierten Stahlrahmen gegliederte Ostseite. Der Fensterbestand hier in weiten Teilen noch bauzeitlich. Im Inneren finden sich teilweise die Schienenstränge der Seilerbahn, die die Funktion des Bauwerks noch deutlich nachvollziehbar machen.
Wohnhaus (Direktorenvilla)
Bereits 1954 hatte Wilhelm Benjamin Reutlinger eine Voranfrage zum Bau eines Wohnhauses für „den Geschäftsführer“ auf dem Fabrikgelände gestellt. Die ersten Pläne hatte der Frankfurter Architekt Karl Molzahn geliefert. Das traufseitig in Ost-Westrichtung angelegte Gebäude sollte von der Straße aus den weiter südlich gelegenen, als unschön empfundenen Ersatzbau für Büro- und Lagerräume der Seilerei verdecken. Warum Molzahns Pläne keine Umsetzung erfuhren, ist nicht bekannt. Bereits im darauffolgenden Jahr legte der junge Architekt Ottokar Hiller im Auftrag des Bauherrn neue Planungen vor. Auch wenn diese sich im Grundsatz am Molzahnschen Entwurf orientierten (insbesondere im Hinblick auf die straßenseitige Ausgestaltung, ähnliche Grundrissgröße, Erschließung von Westen), zeigt sich das ab 1955 errichtet Wohnhaus in einer deutlich moderneren Formsprache. Hillers Entwurf wird bestimmt durch eine ausgewogene Kombination konservativer und innovativer Gestaltungselemente, die seine Nähe zu dem zeitgleich in Frankfurt tätigen Architektenbüro Giefer und Mäckler erahnen lassen.
Wie auch bei Molzahn wählte Hiller für die zur Offenbacher Landstraße ausgerichtete nördliche Traufseite des zweigeschossigen Gebäudes eine gediegene und geschlossene Fassadengestaltung. Drei in engem Abstand positionierte, schmale Fensterformate in Erd- und Obergeschoss sowie ein vertikales Band, bestehend aus zwei großen, mehrteiligen Fenstern mit hölzernen Verkleidungen in den Brüstungsfeldern gliedern die Fassade. Der strenge Gesamteindruck wird hier zurückhaltend durch sechs akzentuierende kleine kreisrunde Lichtöffnungen, filigrane graphische Fenstergitter im Erdgeschoss und bei genauerem Hinsehen auch durch den allseitig dynamischen Kellenschwung des hellen Putzes belebt. Die Kellergeschosszone hier in jüngerer Zeit verändert (Einbringung eines neuen Zugangs).
Ähnlich geschlossen zeigt sich auch die schlichte Ostseite, die als einzig markantes Motiv die kreisrunden Öffnungen wieder aufnimmt und vervielfacht (Teil der Belichtung von Speisezimmer, EG und Elternschlafzimmer, OG). Ein deutlich kreativerer Umgang in Form und Materialsprache bestimmt die Gestaltung der West- und Südfassade. Die den Haupteingang aufnehmende westliche Giebelseite wird durch einen halbseitigen Fassadenrücksprung sowie den diesen Versprung aufnehmenden Balkon im Obergeschoss dominiert. Sein schmales Brüstungsgeländer aus flachen Metallstreben findet sich ähnlich an der Haustürtreppe wieder. Zwei vertikale gestrebte Ziergitter schmücken die kleinen Flurfenster neben der Tür. An der dem Garten zugewandten Südseite offenbart sich Hiller innovativer Grundrissentwurf, dessen Staffelung die Fassade durch großzügige Lichtöffnungen und überdachte Austritte in beiden Vollgeschossen aufnimmt. Die schräge Ausformung der Mauerwangen wird mit dem geschossübergreifenden Panoramafenster im Erdgeschoss fortgeführt. Eine filigrane Metallstange stützt das darüberliegende Vordach, dessen Deckung gleich dem flachen Satteldach noch mit bauzeitlichem grau-braunem Welleternit gedeckt ist. Die markante Wellenform greift Hiller elegant in den Ziergittern von Terrassentür und zugehörigem Oberlicht auf.
Das Innere zeigt sich in Grundrissstruktur und Oberflächenbeschaffenheit ähnlich authentisch (Originalbestand u.a. an Türen, Linoleum- und Kunststeinbodenbeläge, Heizungs- und Deckenverkleidungen). Die Wirtschafts- und Nebenräume im Keller- und Erdgeschoss sind nach Norden orientiert. Im Erdgeschoss manifestiert sich der gehobene Wohnanspruch noch mittels einer technischen Hausrufanlage für das Dienstpersonal, dem bauzeitlich im Erdgeschoss auch ein kleiner Schlafraum (Mädchenzimmer) vorbehalten war. Die nach Norden liegenden Kinderzimmer im Obergeschoss sind verhältnismäßig klein und verweisen auf die zentrale Funktion der großen, über zwei Geschosse ausgebildeten offenen Wohnraums im Erdgeschoss. Die sich dadurch ausbildende Galerie im Obergeschoss bietet mit ihrem Brüstungsgeländer aus Drahtseilen eine offenkundige Reminiszenz an die Firmengeschichte und Familientradition.
Direktorenvilla, Werkshalle und Seilerbahnhalle sind eindrucksvolle Zeugnisse der Geschichte eines für Frankfurt und die Region über Generationen bedeutenden Familienunternehmens. Mit der Seilerbahnhalle hat sich darüber hinaus ein in Hessen nur noch selten erhaltenes Relikt des Seilereihandwerks erhalten. Mittels ihrer überkommenen Gestalt dokumentieren die Gebäude in besonderem Maße die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gegebenheiten sowie die gestalterischen Ideen der Nachkriegsjahre. Sie sind aus geschichtlichen und künstlerischen Gründen als Sachgesamtheit gemäß § 2 Abs. 1 HDSchG in das Denkmalverzeichnis des Landes Hessen eingetragen.
Als Kulturdenkmal nach § 2 Absatz 1 Hessisches Denkmalschutzgesetz aus geschichtlichen und künstlerischen Gründen in das Denkmalverzeichnis des Landes Hessen eingetragen.
Kulturdenkmal nach § 2 Abs. 1 HDSchG | |
Kulturdenkmal (Gesamtanlage) nach § 2 Abs. 3 HDSchG | |
Kulturdenkmal (Grünfläche) nach §2 Abs. 1 oder § 2 Abs. 3 HDSchG | |
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